18 Feb Her mit den Testzentren!
Studierende und Lehrende der Goethe-Universität streiten für sichere Präsenzlehre. Ein Bericht des SDS Frankfurt am Main.
Im Wintersemester 2021/22 entschloss sich die Hochschulleitung der Goethe-Universität Frankfurt am Main zur weitgehenden Durchführung der Lehre in Präsenz. Nach anderthalb Jahren Studium im Digitalbetrieb konnten Studierende wieder Vorlesungssäle und Seminarräume betreten, in der Mensa essen und sich am Campus mit Kommiliton*innen austauschen – einige zum ersten Mal! Durch Hygienekonzepte und Eingangskontrollen (3G-Regel) sollte die Entstehung eines Corona-Hotspots an der Goethe-Uni verhindert werden.
Wie weiter mit der Uni?
Als im November jedoch bundesweit die Inzidenzzahlen in die Höhe schossen und von der Delta-Variante die Rede war, waren Lehrende und auch Studierende verunsichert. Vom Präsidium war leider nichts zu hören, weshalb Dozent*innen alleingelassen und immer mehr Seminare selbstauferlegt wieder ins Digitale verschoben wurden. Begründet wurde dies oft mit der individuellen Verantwortung zur Eindämmung der Pandemie, Schuldgefühlen für mögliche Ansteckungen und Planungsunsicherheit.
Eine zwiespältige Situation für uns als SDS: Die Rückkehr in den Präsenzbetrieb hatte drei Semestern Digitalstudium ein (vorläufiges) Ende gesetzt, den atomisierten Lernstress etwas verringert und soziales Zusammenkommen, studentische Kultur sowie politische Handlungsfähigkeit der Studierendenschaft ein wenig gestärkt. Das durften wir nicht kampflos aufgeben. Andererseits machten auch wir uns Sorgen um eine Ansteckung mit Corona am Campus. Was tun – jenseits von Lockdown und Querdenkertum?
In einer hochschulpolitischen Werkstatt, wo wir uns darüber Gedanken gemacht haben, welche Themen in Bezug zur Universität wir angehen wollen – einem unserer Plena, das mit Hygienekonzept und 3G+-Regel in Präsenz durchgeführt wird – erkannten wir, dass der Kampf für gute Bildung und studentische Handlungsfähigkeit in der aktuellen Situation bedeutet, den Arbeitsschutz an der Uni selbst in die Hand zu nehmen: Wenn die Hochschulleitung nicht genug Vertrauen mit ihren Maßnahmen vermittelt, müssen wir sie dazu antreiben. Das Fehlen von eigenen Covid-19-Teststationen ist und war hierbei der offensichtlichste Missstand.
Darum erstellten wir im November eine Petition, welche die Hochschulleitung aufforderte, an allen Campus‘ Testzentren einzurichten. Wir machten Stände auf dem Unigelände, sammelten Unterschriften, sprachen mit Kommiliton*innen und verteilten Schnelltests. Die Reaktionen unserer Mitstudierenden waren meist positiv. Viele unterzeichneten direkt, weitere nahmen Flyer und unterschrieben online. Einige reagierten aber auch abwehrend: „Ich bin doch schon geboostert!“, „Ich habe mich doch schon getestet!“. Manche fassten jedes Gespräch zu Corona als Anschuldigung auf. Nach eineinhalb Jahren Berichten über Eigenverantwortung, Selbstzurücknahme und verantwortungslose Sündenböcke, war dies allerdings wenig verwunderlich.
Und die Hochschulleitung?
Die Hochschulleitung reagierte träge und genervt: Zunächst hingen nach einer Woche plötzlich viele Werbeplakate eines privaten Testzentrums an unserem Standort. Einen halben Kilometer weit entfernt, wohlgemerkt. Nach den Winterferien eröffnete neben dem REWE am Campus ein kleiner Container mit Testmöglichkeit. Dem Bedarf aller Studierenden genügte das nicht – und warum sollte ein gewinnorientierter Betreiber Kapazitäten vorstrecken? Die Forderung nach eigenen Testzentren mit ausreichenden Kapazitäten der Universität, am besten mit wohlfahrtlichem Träger, bleibt aktuell.
Anfang Februar diskutierte auch der Senat der Goethe-Universität über die Einrichtung von Teststationen. Erstaunlicherweise waren sich Studierende, Mittelbau, Professor*innen und Verwaltung weitestgehend einig, dass dies eine sinnvolle Forderung sei. Nur das Präsidium wehrte sich: Erst wollten sie den Antrag nicht zur Abstimmung geben, dann argumentierten sie für die baurechtliche Unmöglichkeit des Vorhabens, schließlich wollten sie den Antrag ausdrücklich als Prüfungsauftrag verstanden wissen. Sie empörten sich auch über den fordernden Ton des Senats – wenn überhaupt, könne der Senat die Hochschulleitung höflich darum bitten. Es wurde klar, dass es um mehr ging als ein paar Teststäbchen: Es ging um die Erhaltung einer sicheren Präsenzlehre und guter Bildungsbedingungen, aber auch um die demokratische Verfasstheit der Universität. Schließlich wurde der Antrag angenommen – das Präsidium muss nun bis zur nächsten Sitzung geeignete Standorte für Testzentren suchen und dem Senat Rechenschaft ablegen.
Der Kampf geht weiter!
Damit ist der Kampf um Testzentren an der Goethe-Universität noch lange nicht gewonnen. Das Präsidium kann nun allerlei Ausreden für die Undurchführbarkeit des Vorhabens suchen. Auch wäre die Einrichtung von kommerziell betriebenen Teststationen problematisch, da deren Betreiber vor allem monetäre und nicht gesundheitliche Interessen haben. Um Sicherheit und Vertrauen an der Universität zu gewährleisten, plädieren wir daher für ein wohlfahrtlich betriebenes Testzentrum. Hierbei kann sich die Goethe-Universität ein Beispiel an der Frankfurter Fachhochschule, der University of Applied Sciences nehmen, wo ein solches schon vorhanden ist!
Es gibt noch viel zu tun, sowohl für die engagierten Senator*innen im Gremium als auch für die Bewegung am Campus. Wir werden die Unterschriftensammlung fortsetzen und unsere Argumentation für sichere Präsenzlehre an der Uni schärfen. Dazu gehört letztendlich auch, die Lehre zu verändern: Der Prüfungs- und Notendruck muss reduziert, selbstbestimmte und kollektive Prozesse des Studierens müssen gestärkt werden. In Projektseminaren könnten nicht nur der Stress und die Gefahr einer Virusansteckung verringert werden, sondern auch interdisziplinär kritisch-wissenschaftliche Ansätze zur Lösung der multiplen Krise gesucht und erörtert werden.
Für uns im SDS Frankfurt ist jedenfalls klar, dass wir uns nicht schweigsam und selbstgeißelnd ins Private zurückziehen wollen. Wir werden weiter dafür streiten, unsere Studien- und Gesundheitsbedingungen an der Uni selbst in die Hand zu nehmen. Dieser Kampf gibt und Zuversicht und Selbstbewusstsein und wir sehen, dass wir unsere Situation verändern und bewegen können. Das strahlt auch auf unsere Kommiliton*innen aus, die sich dadurch nicht in einen digitalen einsamen Winterschlaf begeben müssen. Darum können wir nur raten an allen Hochschulen Wege zu suchen, die eigene Gesundheit und Bildung solidarisch und kollektiv kämpfend selbst in die Hand zu nehmen!
Vom SDS Frankfurt am Main