9-Euro-Fonds: Eine Alternative zum 9-Euro-Ticket?

9-Euro-Fonds: Eine Alternative zum 9-Euro-Ticket?

Als Antwort darauf, dass das 9-Euro-Ticket nicht verlängert wurde, haben Aktivist*innen den 9-Euro-Fonds ins Leben gerufen. Mit ihm fordern sie die Wiedereinführung des Tickets.

Drei Monate lang, von Juni bis August, konnte in der BRD mit dem 9-Euro-Ticket gefahren werden. Das Konzept hat sich bei vielen Menschen, gerade auch bei uns Studierenden, großer Beliebtheit erfreut. Durch Austeritätspolitik und mit neoliberalen Phrasen wurde diese Option im September beerdigt, gerade zum Heißen Herbst sind wir wieder mit horrenden Ticketpreisen konfrontiert.

Nun haben einige Aktivist*innen den 9-Euro-Fonds ins Leben gerufen. Ihre Idee wird unter Linken kontrovers diskutiert. critica hat ein Gespräch mit der Aktivistin Leo Maurer geführt.

Hallo Leo, du bist seit einer Weile bei 9-Euro-Fonds aktiv. Kannst du uns kurz erklären, wer ihr seid und wie euer Projekt aussieht?

Wir sind eine solidarische Gemeinschaft, die sich als Reaktion auf das Ende des 9-Euro-Tickets gebildet hat. Wir alle haben dieses als großen Fortschritt erlebt. Für die Mobilität, die soziale Teilhabe, das Klima und vieles mehr. Dass sich die Ampelregierung und der Verkehrsminister weigern, das 9-Euro-Ticket fortzuführen, obwohl es eindeutig Wege zur Finanzierung gibt, macht uns verständnislos und wütend. Wir haben daher den 9-Euro-Fonds ins Leben gerufen. Das Prinzip funktioniert so: Jeder Mensch kann jeden Monat 9 Euro (oder mehr) in den Fond einzahlen. Sollte diese Person in diesem Monat ohne Fahrschein kontrolliert werden und das Erhöhte Beförderungsentgelt von 60 Euro zahlen müssen, kann sie uns einfach den Beleg schicken und wir erstatten ihr die Kosten. Das geht jeden Monat gegebenenfalls auch mehrfach. Damit wollen wir die Politik auf den weiteren Bedarf eines 9-Euro-Tickets aufmerksam machen, bis dieses wieder eingeführt ist.

Nun ruft ihr ja explizit nicht zum Schwarzfahren auf…

Genau. Uns ist natürlich bewusst, dass Fahren ohne Fahrschein nicht legal ist. Jedoch ist keine Person, die sich an unserem Fond beteiligt, dazu aufgerufen – oder gar verpflichtet – ohne Fahrschein zu fahren. Wir übernehmen nur das Erhöhte Beförderungsentgelt, falls sie beim Fahren ohne Fahrschein kontrolliert wird. Ob sie das tatsächlich tut, ist ihre individuelle Entscheidung.

Wie viele Menschen machen bis jetzt bei eurem Fond mit? Seid ihr Einzelpersonen oder in politischen Gruppen organisiert?

Bis jetzt haben in diesem Monat etwas über 6.000 Personen eingezahlt. Wir in der Organisation des Fonds sind Einzelpersonen. Dennoch gibt es Gruppen, die uns unterstützen: »Freiheitsfonds«, »Wer Hat Der Gibt«, »Peng!«, »Sanktionsfrei«, »Sand im Getriebe!« und »Wald Statt Stadt«.

Einige halten euren Fonds für reine Symptombekämpfung. Der richtige Protest für das 9-Euro-Ticket muss durch Demos von der Straße kommen. Was würdest du dazu sagen?

Es haben sich ja bereits während der Monate, in denen das 9-Euro-Ticket gültig war, Initiativen gebildet, die genau das tun wollen. Und wir unterstützen sie darin. Wir sind also absolut nicht gegen Demos. Wir haben uns lediglich überlegt: Was können wir außerdem noch tun? Unser Fond hat auch den Anspruch, Druck auf die Politik auszuüben, das 9-Euro-Ticket wieder einzuführen. Wir verstehen den Fond insofern auch als politische Aktion.

Eine weitere Kritik an dem Fonds ist, dass genau die Menschen, die durch ihre prekären Verhältnisse zum Schwarzfahren gezwungen sind, oft selbst die 9 Euro pro Monat nicht entbehren können, sodass gerade die bedürftigsten Menschen aus dem Fond herausfallen. Habt ihr euch hierfür Lösungen überlegt?

Das ist sicherlich ein wichtiger Punkt und zeigt, dass möglichst billige oder kostenfreie Mobilität dringend notwendig ist. Gleichzeitig müssen wir selbstverständlich die Erstattung des Erhöhten Beförderungsentgelts auf irgendeine Weise finanzieren. Stand jetzt ist es der Fall, dass nur Leute, die im entsprechenden Monat 9 Euro eingezahlt haben, Anspruch auf die Erstattung haben. Ich bin jedoch sehr dafür, auch für die besonders Bedürftigen Möglichkeiten zu schaffen.

Apropos Finanzierung, auf der anderen Seite ist es ja so, dass das Strafgeld 60 Euro beträgt, während jedes Mitglied eures Fonds 9 Euro im Monat einzahlt. Damit dürfte jede Person maximal einmal alle 7 Monate ohne Fahrschein kontrolliert werden, damit euer Fond die Kosten finanzieren kann. Schafft ihr es trotzdem, den Fond finanziell über Wasser zu halten?

Das ist eine Frage, über die wir uns auch schon Gedanken gemacht haben. Wir sind ein solidarischer Fond und fordern daher auch dazu auf, dass alle Menschen, die es sich leisten können, mehr als 9 Euro einzuzahlen, um alle anderen zu entlasten. Das tun auch nicht wenige. Von den rund 6.000 Menschen, die diesen Monat eingezahlt haben, gab es bislang etwas über 100 Forderungen nach Erstattung. Aktuell ist unser Fond also stabil und wird es eine ganze Weile bleiben.

Gab es bereits staatliche Repressionen gegen euch?

Nein, es gibt zwar via Twitter diverse Drohungen, uns anzuzeigen, aber bislang ist nichts passiert. Wir haben uns auch beraten lassen und sind sehr sicher, dass wir rechtlich auf der sicheren Seite sind.

Vielen Dank für das Interview.

Gerne. Vielen Dank für euer Interesse.

Das Interview führte Felix Diener