Rosa-Luxemburg-Konferenz in der Zeitenwende: Das Zusammenkommen der deutschen Linken. Ein Bericht des SDS

Rosa-Luxemburg-Konferenz in der Zeitenwende: Das Zusammenkommen der deutschen Linken. Ein Bericht des SDS

Am 13.01.2024 fand die jährlich von der Tageszeitung junge Welt ausgerichtete Rosa-Luxemburg-Konferenz (RLK) statt. Sie knüpft ans jährliche Gedenken an die ermordeten Kommunisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht an. Das Motto »Wem gehört die Welt?« war eine Kampfansage marxistischer Theorie. Vor allem die Herausforderung des US-Imperialismus durch die multipolare Welt und intensivierten Klassenkämpfe wurden diskutiert.

Die Konferenz ist ein zentrales Treffen diverser Strömungen der deutschen Linken, um aktuelle Probleme zu beraten und für viele Linke der politische Jahresauftakt. Wir freuen uns stets darauf.

Die junge Welt – Eine Waffe gegen Dummheit

1996 wurde die Konferenz, trotz Erzählungen vom Sieg des Kapitalismus und Ende der Geschichte, ins Leben gerufen. Sie versammelt bis heute Kämpfer*innen für Frieden und Sozialismus aus aller Welt. In kommunistischer, antiimperialistischer Tradition wandte sie sich stets gegen Kriege, auch wenn sie erst Jahre später von der breiten Öffentlichkeit kritisiert wurden. Ihre Marginalisierung gelingt nicht; knapp 3.700 Teilnehmer*innen, rund 10.000 Zuschauer*innen und mind. 23.000 jungeWelt-Leser*innen haben sie 2024 mitverfolgt. Auch dieses Jahr waren viele Referenten zugegen, z.B. aus Kuba, Chile, Eritrea, Türkei, Dänemark und Spanien.

»Die junge Welt ist eine Waffe«, erklärte jW-Aktionsbüroleiter Ingo Höhmann vor Ort, »aber sie tötet keine Menschen, sondern nur Dummheit.« Deshalb werde sie vom Verfassungsschutz beobachtet. Die junge Welt wehrt sich gegen den Versuch der Regierung, ihr den »Nährboden zu entziehen«. Das hält sie und ihre Unterstützer*innen nicht von marxistischen Diskussionen ab.

Klassenkampf im Imperialismus: Palästina und multipolare Weltordnung

Viele Beiträge thematisierten Verschiebungen der multipolaren Weltordnung. Torkil Lauesen konstatierte, dass der Aufstieg der BRICS+ die US-Hegemonie schwäche und sozialistische Spielräume öffne, trotz innenpolitischer Repression. Höhepunkt war die »Manifestation für einen gerechten Frieden in Nahost«. Reden, Banner und Sprechchöre zeigten: Es muss ein Waffenstillstand her, sofort! Beiträge von Jeremy Corbin, Cornel West, Wieland Hoban und Faten El-Abbas verliehen der Aktion Inhalt und Passion.

Sevda Karaca (Partei der Arbeit, tr: Emek Partisi) sprach zur Notwendigkeit des Sozialismus als Antwort auf Krise und Barbarei. Sie hob den wissenschaftlichen Marxismus als Methode des Weltverständnisses hervor und wies auf weltumspannende Konflikte der Arbeiterklasse hin. Die akute Krise befördere eine Politisierung, was auch sozialistische Perspektiven stärke. Sie betonte die Verankerung am Lebensschwerpunkt und Organisierung vor Ort; nicht durch digitale Medien, sondern reales Miteinander.

Kampf dem Militarismus – ein Generationenkonflikt?

Am Jugendpodium »Militarisierung der Jugend und unsere Antwort« nahmen Vertreter*innen von dieLinke.SDS, SDAJ, DIDF-Jugend, IG Metall und der Landesschüler*innenvertretung Berlin teil. Militarisierung trifft uns nicht nur durch Offiziere im Klassenzimmer oder am Campus, sondern spürbar als Sozialkürzungen. Der DIDF-Genosse berichtete vom Festival »100 Milliarden für die Jugend«. Der Schülervertreter berichtete vom Kampf um zivile Lehrinhalte. Die SDS-Genossin sprach zum Kampf gegen militärische und für zivile Wissenschaften. Der IG-Metall-Genosse verdeutlichte, dass zum betrieblichen Antimilitarismus gehöre, Bewusstsein für die Weiterverarbeitung eigener Produkte in Waffenschmieden zu schaffen. Allerdings entstand kaum Debatte. Erfolge wurden knapp dargelegt, Kontroversen umgangen.

Jugendkämpfe dürfen nicht aus allgemeinen Kämpfen der Arbeiter*innenbewegung ausgegliedert werden. Gerade, weil die herrschende Klasse versucht, uns durch einen Kulturkampf zwischen woker Gen-Z und nostalgischen Boomern zu spalten. Kurz wurde das angerissen, als die Frage nach Erneuerung traditioneller Kampfformen durch jugendadäquate Medienkampagnen kritisiert wurde. Kaum diskutiert wurde auch, ob die Friedensbewegung besser dastünde, wenn sie im Ukrainekrieg Russland stärker kritisiert hätte. Dies sagte der DIDF-Genosse, wogegen die SDS-Genossin abriet, mit Marketingkalkulationen die falsche Spaltung der Friedensbewegung zu reproduzieren. Leider wurde diese Differenz unter den Gruppen im Tempodrom nicht diskutiert: Wie stehen wir zum Krieg in der Ukraine? Es gibt hier keinen Grund, Widerspruch zu scheuen. Für den Jahresauftakt der Linken brauchen wir mehr Mut zum solidarischen Streiten!

Strategien gegen Rechts: Wo bleibt die Einheitsfront?

Das Endpodium »Wer stoppt die Rechten?«richtete den Blick auf die BRD. DIDF-Geschäftsführerin Alev Bahadir erklärte, den rechten Aufstieg habe die Regierung zu verantworten. Austerität habe reale Armut und soziale Spaltung befeuert. Die Rolle der Partei BSW gegen die Rechten wurde weniger diskutiert als ihre Haltung zur Migrationspolitik. Zaklin Nastic betonte die »Wirtschaftliche Vernunft« und dass »wirklich politisch« verfolgte Menschen auch Asyl bekämen – sie wolle aber »keine Grauen Wölfe«. Neben legitimer Kritik an Unterfinanzierung wird so versucht, mit Parolen Wählerstimmen zu generieren. Leider wurde die Migrationsdebatte kaum inhaltlich geführt, sondern mit Bekenntnissen und Geschrei. Zur Frage des AfD-Verbots erklärten alle, dass dieser Diskurs überlagere, wer schuld sei am Aufstieg der Rechten. DKP-Mitglied Shabnam Shariatpanahi warnte, ein Verbot könne auch Linke treffen. Gerd Wiegel, Leiter des DGB-Referats »Demokratie, Migrations- und Antirassismuspolitik« forderte Debatten mit AfD-Wähler:innen nicht zu scheuen. Man müsse über die Folgen ihrer Programmatik aufklären.

Zu wenig besprochen wurde: Was hat den Rechtsruck verursacht? Was tun wir gegen Kriegshaushalt und Schuldenbremse? Wie wirkt die deutsche Beteiligung im Ukrainekrieg? Was bedeuten die Bauernproteste? Welche Rolle spielt der Mittelstand? Wohin entwickelt sich der deutsche Kapitalismus?

Die junge Welt ist der deutschen Linken ein zweites Podium schuldig!

Luxemburg-Liebknecht-Demonstration

Die Luxemburg-Liebknecht-Demo am 14.01.24 stand im Zeichen wachsender Kriegsherde, eines rabiaten Kriegshaushalts, fortschreitender Militarisierung sowie steigender Repression gegen friedensbewegte Kräfte. 10.000 Demonstrierende trugen dem inhaltlich Rechnung.

Der Angriff auf den Palästina-Block durch die Polizei machte die Repression gegen linke und antiimperialistische Kräfte klar. Das schnelle Einhaken der Demonstrierenden, der beherzte Einsatz der Demo-Sanitäter und das Anstimmen von Sprechchören vermittelten ein Bild von Einheit und Ruhe, was weiteren Angriffen vorbeugte. Die Demo wird im nächsten Jahr mit mehr Organisation und Sicherheit reagieren, aber auch mit Zuversicht, trotzdem für Frieden und Sozialismus zu streiten!

Was erwarten wir von der nächsten RLK?

Die Krise des globalen Kapitalismus spitzt sich zu. Kriege, Militarisierung, Sozialabbau, Schwächung bürgerlicher Grundrechte. Aber auch die sozialistische Gegenbewegung wächst. RLK und LL-Demo zeugen davon. Immer mehr diskutieren und demonstrieren für Frieden und Sozialismus. Doch viele Fragen sind offen. Was bedeutet die multipolare Weltordnung für die deutsche Linke in einem imperialistischen Kernland? Wie verhält sie sich zu Konflikten zwischen imperialistischen Akteuren? Wie adressiert sie die Rechtsverschiebung, ohne Feigenblatt der Regierung zu werden? Wie kann sie an verschiedenen Stellen Kräfte sammeln für Frieden und Sozialismus? Die Manifestation im Tempodrom Berlin, der Zusammenhalt auf der Demo und das Gedenken zeigen, wie leidenschaftlich und geschlossen deutschland- und weltweit Tausende für den Sozialismus streiten. Mit neuen Einsichten fuhren wir aus Berlin zurück, vorfreudig auf ein kämpferisches Jahr 2024!

Es braucht Treffen wie die RLK, auf denen die Linke inhaltlich um Antworten ringt. Das setzt mehr konstruktiven Dissens voraus. Mehr Debatten und Podien wären sinnvoll. Als SDS blicken wir dem Zivilklausel-Kongress am 16.03. und 17.03. in Frankfurt am Main entgegen, um den Friedenskampf in Wissenschaft und Hochschulen zu konkretisieren.

Von Hana Q., Benni R., Anna A., Salvatore T., Ari A., Yusuf K., Alejo G.