02 Okt Ein verlorener Krieg – Ukraine, NATO und die Wehrpflicht
Kein Sieg in Sicht. Westliche Militärs und Geheimdienste haben den Ukraine-Krieg für längst verloren erklärt. Warum dieser noch immer mit Waffen und Munition gefüttert wird und welche Interessen sich dahinter verbergen, analysiert Alejandro im folgenden Artikel.
Der Krieg zwischen der NATO und Russland auf ukrainischem Boden mit ukrainischen Truppen wütet seit fast drei Jahren und hat verheerende Auswirkungen für den europäischen Kontinent. Wachsende Armut, Ernährungsunsicherheit und der Tod fast einer ganzen Generation junger Menschen verstärken den Ruf nach der Losung, die die Friedensbewegung seit Beginn des Krieges fordert: Friedensgespräche, jetzt!
Der Diskurs der sogenannten »freien Welt«, der die Eskalation des Stellvertreterkrieges »zur Verteidigung der demokratischen Werte« legitimiert, bricht unter seinem eigenen Gewicht zusammen. Laut UNICEF hat sich die Kinderarmut in der Ukraine 2023 von 43% auf 82% verdoppelt. Mehr als 800 Gesundheitszentren wurden zerstört und zwischen 240.000 und 500.000 Soldaten auf dem Schlachtfeld ermordet. Nach Angaben der UNO sind rund 18 Jahre sozioökonomischer Entwicklung verloren gegangen.
»Wiederaufbau [der Rüstungsindustrie]«
Unter der altruistischen Scharade der imperialistischen Mächte wird das Projekt des Wiederaufbaus der Ukraine gefördert, das darauf abzielt, die Gewinnmarge zu vergrößern, bevor wirklich die Bedingungen für eine vollständige Entwicklung wiederhergestellt werden. Ein Beweis dafür ist das zwischen der ukrainischen Regierung und BlackRock unterzeichnete Abkommen. Der Feldherr der internationalen Finanzoligarchie – die räuberischste aller Klassen! Das weltgrößte Finanzkonglomerat ist mitnichten aus humanitären Gründen an der Infrastruktur- und Investitionsplanung der »Kornkammer Europas« beteiligt.
Der Wiederaufbau der Ukraine geht über die Übergabe von Land und Infrastruktur an professionelle Rechtsverdreher wie BlackRock – und darüber hinaus. Drei Jahre Zerstörung haben die Ukraine in ein Zentrum der Waffenproduktion für die »auf Werten und Regeln basierende Welt« verwandelt. Die Einrichtung des ukrainischen Entwicklungsfonds im Mai 2023 verdeutlicht den Willen des US-Imperialismus, ukrainische Vermögenswerte wie Metinvest, DTEK, MJP oder die ukrainischen Eisenbahnen zu übernehmen. Wenn so ihre Solidarität aussieht, wie sieht dann ihre Feindschaft aus?
Der deutsche Imperialismus legt angesichts einer so wertvollen und saftigen Beute ebenfalls kein Zölibatsgelübde ab. Bis Anfang 2024 ist der Umsatz von Rheinmetall im Vergleich zum Januar des Vorjahres um 16% auf 1,6 Milliarden Euro gestiegen. Die Ukraine benötigt jährlich 2,4 Millionen Stück Artilleriemunition, die NATO ist aktuell in der Lage, jährlich 1,2 Millionen Stück zu produzieren. Es gibt dementsprechend eine »Lücke« auf dem Waffenmarkt, die der deutsche, US-amerikanische und französische militärisch-industrielle Komplex gerne füllen. Bei der sogenannten »Wiederaufbaukonferenz« in Berlin wurden die wahren Absichten der deutschen Bourgeoisie deutlich: Im Mittelpunkt stand vor allem die Ausweitung der westlichen Rüstungsproduktion. Unter anderem soll ein Schützenpanzerwerk von Rheinmetall in der Ukraine errichtet werden.
Wehrpflicht statt Lerndienst?
Mit dem Begriff »Kriegstüchtigkeit« wird in Deutschland der Frontalkrieg um die Köpfe und Körper der Menschen geführt. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat unter dem Euphemismus »Neuer Wehrdienst« wiederholt die Bereitschaft der Regierung erklärt, die Wehrpflicht einzuführen. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht wird entgegen breiter gesellschaftlicher Skepsis in der öffentlichen Debatte mehr und mehr normalisiert. Und weil das nicht reicht, wird die insbesondere seit der Pandemie zunehmende Prekarität und Armut instrumentalisiert. Mit dem Versprechen eines Gehalts von 1.800 Euro und der Prämie von 5.000 Euro, sollen sich junge Menschen bereit erklären, länger als sechs Monate zu dienen. Die Botschaft ist klar: »Willst du studieren, nimm zuerst das Gewehr!«
Angesichts der militaristischen Offensive in Deutschland gibt es für uns nur eine Antwort: Runter mit den Waffen und hoch mit den Studienplätzen! Für eine Universität für Frieden und Völkerverständigung.
Alejandro kommt aus Kolumbien und studiert Politikwissenschaft und Geschichte in Frankfurt am Main. Er ist beim SDS und in der kolumbianischen Arbeitsgruppe Aktion Guajira aktiv.