13 Nov Der Blick zurück weist den Weg vorwärts!
»Bafög statt Pershing II« – unter diesem Motto demonstrierten im Dezember 1982 rund 40.000 Studierende in Bonn für Frieden und soziale Verbesserungen.
Die frühen 1980er-Jahre waren eine Zeit großer Friedensdemonstrationen: Im Bonner Hofgarten kamen zwischen 1981 und 1983 jährlich Hunderttausende (!) zusammen, um gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen zu protestieren – Raketen, die binnen weniger Minuten Atomsprengköpfe auf die Sowjetunion regnen konnten, und umgekehrt Westdeutschland zur Zielscheibe machten. Anstelle der eskalierenden Aufrüstungspolitik der NATO forderte ein breites Bündnis von Christ*innen bis zu Kommunist*innen Abrüstung und Entspannungspolitik gegenüber der Sowjetunion.
Die Parallelen zur Gegenwart sind deutlich: Nicht nur, dass heute wieder US-Mittelstreckenraketen in Deutschland stationiert werden sollen, um Russland (mit der freudigen Aussicht des Atomtodes für die gesamte Menschheit) »abzuschrecken«. Seit der Eskalation des Ukrainekriegs im Jahr 2022 sind die Gräben der internationalen Blockbildung immer tiefer geworden. Deutschlands herrschende Klasse, vom Abschneiden wichtiger Handelsbeziehungen ökonomisch stark getroffen, versucht seine internationale Machtstellung durch den gezielten Aufbau militärischer Stärke zu erhalten. Ein Projekt der Aufrüstung und »Kriegsertüchtigung«, das seit der Zeit des deutschen Faschismus seinesgleichen sucht. Die »Zeitenwende«-Rhetorik von Scholz & Co. soll dabei die ideologische Legitimation dafür bieten, dass die Regierung Hunderte Milliarden in die Bundeswehr und die Rüstungsindustrie steckt, während Krankenhäuser, Schienennetze, Schulen und Universitäten zunehmend verfallen und der Lebensstandard der allgemeinen Bevölkerung seit 2022 sinkt und sinkt.
Sozialer Krieg gegen Studierende
Studierende, schon vor 2022 eine der ärmsten Bevölkerungsgruppen, treffen diese Folgen der Kriegspolitik der Bundesregierung besonders stark. Durch die Inflation von 2022/23, die bei Gütern des Grundbedarfs (Miete, Lebensmittel, Verkehr) bis heute auf hohem Niveau verbleibt. Durch die Austeritätspolitik, die bei öffentlichen Investitionen in Bildung den Rotstift ansetzt: egal ob Hochschulen, Studierendenwerke oder BAföG. Und auch durch stagnierende Löhne, die für die Einnahmen der Studierenden die mit weitem Abstand wichtigste Quelle sind – entweder aus eigener Erwerbstätigkeit (der rund zwei Drittel nachgehen) oder vermittelt über Unterhaltszahlungen aus der Erwerbstätigkeit der Eltern. Viele Studierende können es sich heute nicht leisten, von Zuhause auszuziehen. Kein Wunder, denn von denen, die es tun, leben 77% unter der Armutsgrenze.
Das BAföG, eine Errungenschaft der Studierendenbewegung der 1970er Jahre, die dem gesetzlich verankerten Recht auf Bildung die materielle Grundlage verschaffen sollte, versagt auf ganzer Linie. Das ist nicht zuletzt die Folge einer jahrzehntelangen Entkernung der Studienfinanzierung. Diese Austeritätspolitik versuchte man dabei zu legitimieren, indem man das Studium umdeutete: vom Recht auf Bildung für Alle zur individuellen Investition in das eigene Humankapital. Das BAföG, das bei seiner Einführung im Jahr 1971 fast die Hälfte der Studierenden erreichte, kommt heute nur noch bei 12% an. Eine umfassende Reform der Studienfinanzierung wäre also dringend nötig. Es braucht ein BAföG für Alle, das allen, wirklich allen, Studierenden als Vollzuschuss zugutekommt. Schaut man auf die Hunderten Milliarden, die die Aufrüstung verschlingt, wird klar: Das Geld ist da – es ist nur schlecht verteilt. Noch dazu sind Bildungsinvestitionen ökonomisch mehr als produktiv, wie kritische Ökonom*innen regelmäßig zeigen.
Stattdessen hat die Bundesregierung jedoch mit ihrer letzten BAföG-Reform das weitere Sinken unseres Lebensstandards abgenickt, denn die Anhebung der Bedarfssätze und Freibeträge ist absolut unzureichend verglichen mit den Teuerungen der letzten Jahre. Wieder einmal wurde deutlich: Von dieser Regierung können wir uns keine Verbesserungen erwarten – zumindest nicht, bis wir die Sache in die eigene Hand genommen haben und genügend Gegenmacht aufgebaut haben, dass unsere Forderungen nicht mehr ignoriert werden können.
BAföG statt Bomben!
Mit diesem Ziel waren wir bereits im letzten Sommersemester aktiv. An Ständen am Campus, im Studierendenparlament und auf der Straße haben wir unseren Forderungen (siehe Webseite: https://linke-sds.org/bafoeg-statt-ruestung) Gehör verschafft. Weil wir nicht ewig darauf warten können, dass jemand den ersten Schritt macht, haben wir ihn gemacht: In Hamburg, und Bonn haben wir Demonstrationen organisiert, in Frankfurt eine Kundgebung vor der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau), deren Studienkredite mit über sieben Prozent Zinsen schon viele Studierende in die Schuldenfalle getrieben haben. Von unseren Kommiliton*innen und auch den Beschäftigten der Universität haben wir dabei viel Zuspruch bekommen – was die Teilnehmer*innenzahl bei den Aktionen angeht, gibt es jedoch noch Potenzial nach oben.
Um dieses Potenzial zu entfalten, müssen wir die Hochschulen wieder zu einem lebendigen Ort der politischen Diskussion und Aktion machen. Wir müssen wegkommen von der in Studierendenparlamenten, aber auch unter unseren Kommiliton*innen verbreiteten Idee von Stellvertreterpolitik. Die Politik gehört wieder ins Zentrum des Lebens von Studierenden, im Seminar genauso wie am Fachbereich und an der ganzen Uni. In enger Zusammenarbeit mit Gewerkschaften, Sozial- und Jugendverbänden müssen wir Bündnisse schmieden, anstatt uns von oben spalten und gegeneinander aufhetzen zu lassen. Und in Zeiten, in denen sich Deutschland auf den nächsten Krieg vorbereitet, müssen wir Friedenspolitik als die beste Sozialpolitik begreifen. Ohne Frieden ist alles nichts… und auch kein Geld fürs BAföG da. Deshalb ist unsere Losung, damals wie heute: BAföG statt Bomben!
Luca Groß studiert Soziologie und Geschichte in Frankfurt.
Philipp studiert Soziologie und Kommunikations- und Medienwissenschaft in Bremen.