17 Dez. Die letzte Schlacht gewinnen wir
Neben der anstehenden Bundestagswahl ging es auf dem 35. Bundeskongress von Die Linke.SDS viel um die bevorstehenden Kämpfe am Campus gegen AfD, Militarisierung, Sozialabbau – und die innerparteiliche Diskussionskultur.
Mit 2024 endet ein Jahr, in dem auf den Campi der BRD so viel wie lange nicht mehr passiert ist: Palästinacamps an vielen Hochschulen, die Verpflichtung zu Militärkooperationen in Bayern und die Kürzungspolitik in vielen Bundesländern. Diese sind eine Reaktion auf den gerade stattfindenden autoritär-militaristischen Umbau: Durch den Verlust der US-Hegemonie reagieren die herrschenden Klassen der westlichen Länder repressiver und treiben u.a. mittels Prekarisierung und Austerität die Kriegsvorbereitungen voran. Der SDS traf sich vom 6. bis zum 8. Dezember zum 35. Bundeskongress in Berlin, um die alte Leninsche Frage zu diskutieren: Was tun?
Der Leitantrag liefert dafür eine düstere Gegenwartsanalyse: „Alle bürgerlichen Parteien hierzulande planen noch massivere Aufrüstung und Militarisierung. Unter der Bedingung der Schuldenbremse und ohne Steuererhöhungen bedeutet dies weiteren sozialen Kahlschlag. Viele Menschen erleben Abstiegserfahrungen und -angst, sind grundlegend unzufrieden mit den bestehenden Zuständen. Die Hegemonie bröckelt also und so braucht es mehr Zwang zur Absicherung der Herrschaft. Der Verteilungskonflikt spitzt sich zu. Die Herrschenden wollen ihn zu einer Scheinkonkurrenz zwischen Arbeiter*innen und Lohnabhängigen einerseits und Arbeitslosen, Asylsuchenden und Migrant*innen andererseits hin verlagern. Bei einer weiterhin schwachen Linken wäre dies ein weiteres Konjunkturprogramm für die (extreme) Rechte.“ (S. 9, Beschlussheft 35. Bundeskongress) An Universitäten gab es in diesem Jahr sowohl mehr Repressionen als auch mehr Widerstand. Der SDS fiel besonders mit den Kämpfen gegen die AfD, für die Zivilklausel und für ein BAföG für alle auf. Daran wird der Verband anknüpfen.
Offensiver Antifaschismus an den Unis
Im kommenden Jahr ist nicht nur Widersetzen, zu dessen Teilnahme wir aufrufen, sondern auch der 80. Jahrestag der Befreiung vom Hitlerfaschismus. Insbesondere im Angesicht eines wiedererstarkten Militarismus ist es umso wichtiger für die Revitalisierung kritischer Wissenschaft, Studienreformen sowie die soziale Öffnung und Demokratisierung der Wissenschaftsinstitutionen zu kämpfen. Neben einem AfD-Verbot soll es im Sommersemester vermehrt Arbeit zu antifaschistischer Wissenschaft geben.
Als Reaktion auf das kritische Aufbegehren an unseren Hochschulen waren die Angriffe der Herrschenden über die Deutungshoheit am Campus in diesem Jahr sehr heftig. Exemplarisch hierfür ist das Kooperationsgebot mit der Bundeswehr an bayrischen Hochschulen oder die im Bundestag verabschiedete Antisemitismusresolution: „Unter dem Vorwand Antisemitismus zu bekämpfen, wird jegliche Kritik am Staat Israel, dem Völkermord in Gaza, und der besetzten Gebiete kriminalisiert. Kritische Stimmen, darunter auch Juden und Jüdinnen, die den Staat Israel kritisieren, werden kriminalisiert und mit noch stärkeren Repressionen bedroht. In Zeiten des Aufstiegs rechter und rechtsextremer Parteien muss eine solche Verwässerung des Antisemitismusbegriffs entschieden bekämpft werden. Doch statt jüdisches Leben aktiv zu schützen, verabschiedete der Bundestag eine Resolution, die sich rechtsextremer und rassistischer Narrative bedient und die Wissenschafts-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit massiv bedroht.“ (S. 27, Beschlussheft 35. Bundeskongress)
Folgerichtig fordern wir die Bundestagsgruppe der Linken auf, eine von Union und FDP geplante Resolution zum Umgang mit “Antisemitismus und Israelfeindlichkeit” an Schulen und Hochschulen abzulehnen und öffentlich Stellung dazu zu beziehen, nachdem sie sich bei der ersten Resolution enthielt. Gefordert haben wir auch, dass die Partei auf die Bundesregierung Druck für die Erwirkung eines Waffenstillstands machen soll. Als Studierendenverband wollen wir dafür sorgen, dass sich die Wissenschaften gegen den Krieg richten, wofür wir den Kampf für Zivilklauseln und Wissenschaftskooperationen nach vorne stellen.
Es wurde auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts diskutiert, wonach das BAföG unter dem Existenzminimum liegen darf. Damit wird die gewollte Prekarisierung der Studierenden legitimiert, mit der ihr historisch gewachsenes emanzipatorisch-revolutionäres Potenzial geschwächt werden soll. Dennoch treiben wir als SDS den Aufbau einer Bewegung voran, die im November mit einem Aktionstag an über 13 Hochschulen ein erstes Ausrufezeichen setzte. Der Kampf um ein BAföG für alle sei nicht nur einer für Umverteilung, sondern auch für eine kritische Bildung und einer Wissenschaft im Dienst der Allgemeinheit. Dementsprechend soll im kommenden Semester der Bündnisaufbau vorangetrieben werden, wozu ein Gipfel stattfinden soll.
Solidarische Debattenkultur statt Repression
Begleitet wurden diese Debatten vom gleichzeitig stattfindenden Parteiausschlussverfahren gegen Ramsis Kilani. Im Oktober diesen Jahres haben der ehemalige Parteivorsitzende Martin Schirdewan und die ehemalige kommissarische Geschäftsführerin Katina Schubert ein Ausschlussverfahren gegen Ramsis gestartet. Der Vorwurf: Ramsis palästinasolidarische Positionierung würde außerhalb des “Meinungskorridors” liegen, der auf dem Hallenser Parteitag beschlossen wurde. Mit sehr großer Mehrheit wurden zwei Dringlichkeitsbeschlüsse in Solidarität mit ihm verabschiedet. Im ersten vom Freitagabend forderten wir vom Parteivorstand, dass er sich solidarisch mit ihm verhält. Diesen Ausschlussantrag verurteilen wir als Versuch “Diskussionen zu unterdrücken”.
Deshalb fordern wir Solidarität mit “Ramsis Kilani und allen Betroffenen von Polizeigewalt, Repressionen und Berufsverboten, die sich für das palästinensische Volk, Frieden in Nahost und weltweit einsetzen” gefordert, sowie die Umsetzung der Beschlusslagen und Information der Parteimitglieder. Am Samstag nach dem Ausschluss durch die Berliner Schiedskommission kam ein zweiter Dringlichkeitsbeschluss. Das Urteil der Schiedskommission verurteilen wir. Statt mit Parteiausschlüssen zu arbeiten, solle ein “solidarischer Debattenprozess” über den Genozid in Palästina geführt werden und die Partei die Bemühungen um einen Waffenstillstand intensivieren. Bei der Parteivorstandssitzung am Sonntag organisierte der SDS kurzfristig einen Protest mit rund 50 Genoss*innen und brachte den zweiten Dringlichkeitsantrag “Frieden schaffen statt Ausschluss von Palästina-Solidarität!” ein, der aber mehrheitlich abgelehnt wurde.
Auch wenn diese Intervention nicht zum erhofften Beschluss geführt hat, haben wir der Partei gegenüber deutlich signalisiert, dass wir als SDS das Schweigen zum Genozid in Nahost und das Wegducken vor der gesellschaftlichen Auseinandersetzung nicht widerspruchslos hinnehmen. Der beschlossene Antrag zum Aufbau einer starken Linken sagt dazu deutlich: “Der anstehende Wahlkampf bietet uns die Möglichkeit, eine eigene Vision der Linken als sozialistische und antiimperialistische Partei zu formulieren und die Verhältnisse in der Partei in unserem Sinne zu verschieben.” (S. 47, Beschlussheft 35. Bundeskongress).
Damit konnten wir an dem Wochenende die Weichen für ein kämpferisches 2025 stellen: Neben der Bundestagswahl, 80 Jahre Befreiung und der sich verschärfenden Krise des deutschen Imperialismus gibt es allerhand zu tun.
Alle Beschlüsse des 35. Bundeskongress findet ihr auf unserer Website.