Aufrüstung ist keine Solidarität: Der neue deutsche Militarismus

Die Bundeswehr schwimmt im Geld.

Aufrüstung ist keine Solidarität: Der neue deutsche Militarismus

Bei den aktuellen Entwicklungen wird eins deutlich: Auf die Mächtigen ist kein Verlass. Militarisierung wird zur deutschen Staatsräson – mit weitreichenden Folgen für Europa und die Welt. Ein Überblick.

Es ist wieder Krieg in Europa – Putins Krieg. Mit der „militärischen Spezialoperation“, wie der russische Diktator zynisch seine Invasion umschreibt, leitet Putin den Angriffskrieg gegen die Ukraine ein. Dies stellt den Höhepunkt des seit 2014 andauernden Konflikts zwischen den beiden Brüdervölkern dar. Der völkerrechtswidrige Überfall katapultiert die russisch-europäischen (Sicherheits-)Beziehungen in eine Schockstarre. Eine geopolitische Zäsur, welche an vergangene Zeiten des Kalten Kriegs erinnert. In der Hektik scheint für die Ampel-Regierung eines klar zu sein: Mit vermeintlicher Entspannungspolitik konnte der Krieg nicht verhindert werden, Abschreckung (gemeint ist Aufrüstung) ist das Gebot der Stunde. Eine Feststellung mit gefährlichen Folgen.

100 Mrd. Euro für den langen Weg zur deutschen Militärmacht

Es ist ironisch, dass Olaf Scholz am 27. Februar, dem Tag an dem allein in Berlin 500.000 Menschen gegen Krieg demonstrieren, ein Aufrüstungsprogramm mit bisher unbekannter Dimension verkündet. Mehr als 2% des Bruttoinlandsprodukts sollen in den nächsten Jahren für die Bundeswehr bereitgestellt werden. Dafür soll unter anderem ein Rüstungskredit von 100 Mrd. Euro sorgen. Mit diesem sollen neue Waffen und Rüstungsgüter beschafft werden. Konservative Sicherheitspolitiker*innen werden nicht müde, die Lüge zu verbreiten, dass es sich dabei nicht um ein Aufrüstungs- sondern um ein Ausrüstungsprogramm handelt.

Dabei schafft Olaf Scholz ganz andere Fakten. Die von ihm über die letzten Jahre blockierte Beschaffung von Drohnen, wird ohne jede Diskussion durchgewunken. Genauso sollen milliardenschwere amerikanische F-35 Kampfjets, die Tornado-Kampfflugzeuge ablösen, um dadurch die nukleare Teilhabe zu erneuern. Zudem sollen die Eurofighter-Kampfflugzeuge weiterentwickelt werden und auch das Milliardengrab FCAS (Future Combat Air System) gilt von nun an als Säule und gesetztes Vorzeigeprojekt europäischer Rüstungsentwicklung.

Während Putins Krieg und mit dem seit Jahren verbreiteten Narrativ der maroden Bundeswehr, nutzt Olaf Scholz die Gunst der Stunde, um eine Zeitenwende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik einzuleiten. Auch mit der Angst der Menschen vor einem möglichen Weltkrieg wird gespielt. Dass Deutschland zur Zeit die siebtgrößten Militärausgaben der Welt hat, wird in der Emotionalität der Situation verschwiegen – eine schlecht ausgerüstete Bundeswehr ist bei einem Militäretat von über 50 Mrd. Euro eine echte Kunst. Was die Zeitenwende konkret bedeutet, wird mit Blick auf die EU und NATO deutlich. Es geht in dem Aufrüstungsprogramm nicht um Solidarität zur Ukraine, sondern darum, die seit Jahren schleichende Militarisierung der EU unter deutsch-französischer Führung auf die nächste Ebene zu heben. Mit ihr soll zudem der europäische Pfeiler in der NATO gestärkt werden.

Auch gibt man den internationalen Partnern nach. Diese fordern schon seit Jahren, dass Deutschland, aus seiner wirtschaftlichen Stärke resultierend, mehr militärischen Einsatz in Europa und der Welt leisten muss. Das meint nichts weniger, als, dass sich Deutschland verstärkt an zukünftigen geopolitischen Auseinandersetzungen und Kriegen beteiligen soll. Damit stirbt das Konzept der Bundeswehr als reine Verteidigungsarmee endgültig. Olaf Scholz stellt mit dem Aufrüstungsprogramm dafür jetzt die Weichen.

Die Renaissance der NATO – eine Friedensorganisation?

Die NATO, ein Relikt des Kalten Krieges, erlebt durch Putins Invasion eine neue Legitimitätswelle. Die interne Kritik der letzten Jahre scheint wie weggeblasen. Von Zerrissenheit oder gar einem „Hirntod“, wie Macron 2014 über das Bündnis spottete, ist keine Spur. Im Anblick des Expansionsstreben des Kreml liebäugeln viele russische Anrainerstaaten wieder verstärkt mit dem Militärbündnis. Putin eint die westlichen Regierungen. Und auch in der deutschen Zivilbevölkerung scheint Kritik an der NATO in Anbetracht Putins Invasion verklungen.

Was dabei meist außer Acht gelassen wird: Die NATO ist keine Friedensorganisation. Sie und ihre Mitglieder haben durch ihre, zum Teil völkerrechtswidrigen, Kriege in jüngster Vergangenheit einen nicht unbeachtlichen Teil der Welt in Angst und Trümmer gebombt. Auch in der Vorgeschichte zu Putins Krieg trägt sie keine weiße Weste – obwohl einige deutsche Politiker*innen das Gegenteil behaupten. Die NATO-Staaten treiben seit Jahren die Aufrüstungsspirale an und verfolgen eine Konfrontationspolitik gegen alles, was ihrem Hegemonialstreben ein Dorn im Auge ist.

Die Fokussierung der USA auf den Indo-Pazifik und die gesuchte Konfrontation mit China geht einher mit dem Schmieden neuer Militärbündnisse in der Region. Das treibt nicht nur China und Russland zwangsläufig noch näher zusammen, sondern birgt die Gefahr eines erneuten Kalten Krieges. Die forcierte Aufrüstung Deutschlands und der EU soll sich genau an dieser militärischen Konfrontationslogik – im Gewand des vermeintlich guten Krieges – verstärkt beteiligen.

Rückbesinnung auf die friedliche Koexistenz im Auge der Klimakatastrophe – Abrüstung jetzt!

Für alle imperialistischen Staaten, wie Russland oder die NATO-Mitglieder, ist Militär ein aktiv verwendetes Mittel der Außenpolitik. Die gewaltige Aufrüstung der NATO in den letzten Jahren treibt das Sicherheitsdilemma an: Andere Länder fühlen sich von den Militärausgaben bedroht und rüsten ebenfalls gewaltig auf. Der deutsche Rüstungskredit reiht sich in diesen Teufelskreis ein – Deutschland wird hinter den USA und China die drittgrößten Militärausgaben der Welt haben. Es gibt nur ein Problem: Mit Militarismus und Konfrontationspolitik lassen sich die Herausforderungen des 21. Jahrhundert in einem imperialistischen Weltsystem nicht lösen. Die Klimakatastrophe ist dabei Menschheitsgefahr und Chance zum Wandel zugleich. Sie betrifft alle Staaten auf der Welt und stellt für sie eine Existenzbedrohung dar. Auch kann sie nur in Zusammenarbeit aller Staaten, vor allem der Großmächte, welche die größten Verursacher des Klimawandels sind, bekämpft werden.

In Anbetracht der kurzen Zeit, die zur Eindämmung der Klimakatastrophe bleibt, braucht es eine sofortige Rückbesinnung auf eine aktive internationale Politik der friedlichen Koexistenz von Staaten mit unterschiedlichen Gesellschaftssystemen. Die gegenseitige Souveränität zwischen Ländern und vor allem den großen imperialen Mächten, muss bedingungslos abgesichtert, Militär als aktives Mittel der Außenpolitik wiederholt untersagt und durch Rüstungskontrolle und Abrüstung die Rüstungsspirale gestoppt werden. Nur so kann internationales Vertrauen und friedliche Zusammenarbeit aufgebaut werden. Putins Krieg leistet dazu keinen Beitrag.

Die russischen Truppen müssen sofort zurückgezogen werden, um die Souveränität der Ukraine wiederherzustellen und einen möglichen Weltkrieg zu verhindern. Letzteres wäre der Untergang der Menschheit. Nachhaltige Veränderungen können nur innenpolitisch und durch Bewegungen erkämpft werden. Dort setzen wir als Die Linke.SDS an. Denn bei den aktuellen Entwicklungen wird eins wieder deutlich: Auf die Mächtigen ist kein Verlass. Weder Aufrüstung noch Krieg werden uns retten. Weder NATO, noch Putin – Für eine neue Friedensbewegung!

Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Semesterausgabe – critica Nr. 28