Die Prinzipienlosigkeit der Grünen Partei

Die Prinzipienlosigkeit der Grünen Partei

Die Grünen sind im Wahlkampf mit vielem progressiven Glanz und großen Ambitionen aufgetreten. Seitdem sie regieren ist denkbar wenig davon übrig, meint Ben.

Mit ambitionierten Zielen und progressiven Ideen sind die Grünen in den vergangen Bundestagswahlkampf gezogen. Unabhängig davon, welche Themen während des Wahlkampfes thematisiert wurden, war eines stets zu vernehmen: Man wolle endlich Veränderung schaffen. Weg von einer stagnierenden, konservativen Politik der Großen Koalition und hin zu einem neuen, modernen Politikstil. Nach der Wahl gab es dann Gewissheit.

Mit einem stabilen zweistelligen Ergebnis und einer aussichtsreichen Verhandlungsposition starteten die Grünen in die Sondierungsgespräche. Als öffentlich verkündet wurde, dass man der Ampel-Koalition gegenüber einem Jamaikabündnis den Vorzug geben würde, war die Parteibasis sichtlich erleichtert. Nach 16 langen Jahren unter konservativer Herrschaft der Union würden nun wichtige Veränderungen endlich angestoßen werden. Zwar ist durch die FDP eine Partei mit von der Partie, die politisch wenige Überschneidungen mit SPD und Grünen besitzt. Trotzdem war in dieser Konstellation die Durchsetzung linker, progressiver Themen wohl aussichtsreicher als in einer Jamaika-Koalition. Mittlerweile reiht sich seit dem Antritt der neuen Regierung allerdings Abstimmung an Abstimmung, in denen die Grünen grundlegende Prinzipien aus den vorherigen Jahren der Opposition und des Wahlkampfes vermissen lassen.

Dies zeigt sich in den Abstimmungen zum Freihandelsabkommen CETA, den 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr und Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien.

Sonderrechte gegen Umweltschutz

Anfang Dezember stimmte mit 100 Jastimmen eine überwiegende Mehrheit der 118 Mitglieder der Grünen-Bundestagsfraktion für die Ratifizierung des Freihandelsabkommens CETA. 2016 war man noch entschieden gegen dieses Abkommen bundesweit auf die Straße gegangen und hatte zu Großdemonstrationen dagegen aufgerufen. Zur Wahrheit gehört zwar, dass CETA seitdem entschlackt wurde, trotzdem bedeutet die Zustimmung einen Machtzuwachs für Konzerne, indem deren Interessen über den Klima- und Umweltschutz gestellt werden. Dies schlägt sich in den Sonderrechten globaler Unternehmen nieder. Durch diese gibt CETA den Konzernen die Möglichkeit, Staaten auf Entschädigungen zu verklagen, sollten die Länder politische Maßnahmen – beispielsweise für den Umweltschutz – in die Wege leiten und damit deren Profiten im Wege stehen. Nach Recherchen von Greenpeace würden dadurch mindestens 360 kanadische Unternehmen Sonderklagerechte gegen Deutschland bekommen. Darüber hinaus könnten auch US-amerikanische Konzerne über ihre kanadischen Tochtergesellschaften von diesem Mittel Gebrauch machen.

Grüne Zeitenwende: Sondervermögen für Aufrüstung

Aber nicht nur in dieser Abstimmung, auch bei jener um das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr stellten sich die Grünen gegen ihre früheren Prinzipien. In diesem Fall trat die Fraktion mit 106 Jastimmen sogar noch geschlossener auf. Jedoch geschah dies nicht ohne Widerspruch aus den eigenen Reihen. So sprachen sich die Bundessprecher*innen der Grünen Jugend – Sarah-Lee Heinrich und Timon Dzienus – stark gegen dieses Sondervermögen aus. Sie argumentierten, dass trotz der kontinuierlicher Steigerung des Wehretats über die letzten Jahre, die Probleme der Ausstattung der Bundeswehr geblieben sind. Daher müsse man eine Reform des Beschaffungswesens in Gang setzen und weniger mit irrsinnig hohen Summen ein falsches Sicherheitsgefühl nähren. Selbst aus Perspektive derer, die sich durch das Sondervermögen eine bessere Unterstützung der Ukraine erhoffen, ist eben dieses nicht zielführend. Wie Sarah-Lee Heinrich in einem Interview darlegte, »werden Dinge bestellt, die erst in den späten 2020er Jahren kommen werden. Es geht also gar nicht darum, dass wir morgen mehr Waffen haben. Genau dieser Eindruck ist aber bei der Mehrheit der Bevölkerung entstanden.«

Wenn man bedenkt, dass sich Deutschlands Rüstungsetat bereits in den letzten Jahren weltweit, zwischen Platz 7 und 8 bewegte und zusätzlich zu den 100 Milliarden Euro ab 2023 jährlich etwa 50 Milliarden Euro für den Etat hinterlegt werden, kommen Rüstungsausgaben in schwindelerregenden Höhen zusammen. Mit Blick auf die Bereiche, in denen es in unserem Land an Geldern mangelt – beispielsweise bei der Digitalisierung der Schulen und der öffentlichen Infrastruktur – ist es bedauerlich, dass nahezu die gesamte Fraktion und selbst jene Abgeordneten, die Mitglied der Grünen Jugend sind (im Übrigen gegen den Willen ihres Verbands) dafür stimmten. Es zeigt jedoch, wo die Partei mittlerweile steht.

Waffen ins Kriesengebiet

Eine weitere Thematik, bei der die Grünen von ihrem ursprünglichen friedenspolitischen Anspruch abgekehrt sind, ist die Duldung von Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien. Ist man als Oppositionspartei noch mit der Parole „Keine Waffen und Rüstungsgüter in Krisengebiete“ in den Wahlkampf gezogen, geschieht nun genau das! Gemeinsam mit den Regierungspartnern wird nun von einer Ausnahmeregel Gebrauch gemacht und für den Export von Ausrüstung und Munition für Kampfjets gestimmt, obgleich Waffenlieferungen in den Golfstaat (richtigerweise) seit längerem weitgehend ausgesetzt sind.

Diese nun bewilligten Rüstungsgüter sind genau jene, mit welchen Saudi-Arabien in der Vergangenheit Luftangriffe auf den Jemen durchführte. Bei diesen Angriffen wurden laut einem Vertreter der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch schwerste Kriegsverbrechen, wie die Bombardierung von Krankenhäusern, Schulen und Kindergärten verübt.

Mehr als Koalitionszwang

Dass die Grünen nun viele ihrer Grundprinzipien aufgeben und in den genannten Themen, kein merklicher Unterschied zur vergangenen Politik der Union sichtbar ist, ist verheerend. Was nützt uns eine Partei, die im Wahlkampf und in der Opposition Hoffnung auf Erneuerung weckt und dann bei diesen großen Fragen einknickt, in denen es wichtig wäre, ein anderes Gesicht als die Vorgänger Regierungen zu zeigen. Es befeuert nur das Problem, welchem bereits die SPD unterliegt. Nämlich die Schärfe des eigenen Parteiprofils zu verlieren und sich von konservativen Kräften nicht mehr deutlich genug abzusetzen.

Auch wäre es zu kurz gedacht dieses Abstimmungsverhalten lediglich mit dem Koalitionszwang und einer FDP in der Regierung, der man politisch entgegenkommen müsse, zu begründen. Dafür sind die Abstimmungsverhältnisse zu eindeutig. Man kann nicht abstreiten, dass es bei der SPD und vor allem bei den Grünen noch breite innerparteiliche Strömungen gibt, die diese Entwicklung kritisch sehen und dagegen ankämpfen. Trotzdem erregt es Sorgen, wie eine einst kapitalismuskritische Friedenspartei dort ankommt, wo sie zu Beginn nie hinwollte – im politischen Establishment.

Ben Kästner studiert Mathematik an einer Leipziger Hochschule und ist beim SDS Leipzig aktiv. Er mag seine kapitalismuskritischen Friedensparteien kapitalismuskritisch und friedlich.