18 Mai »Ich sehe etwas und sehe mich darin«
Caren Miesenberger ist Journalistin und gibt Workshops zu feministischen Memes. Ein Interview zum revolutionären Potenzial von Social Media und ihren liebsten Memepages.
Was sind Memes?
Memes sind lustige audiovisuelle Inhalte im Internet, etwa Text- oder Videoschnipsel. Sie arbeiten mit Repetition, also mit Wiederholungen popkultureller oder viraler Inhalte. Wenn sie auf bestimmte Momente reagieren, sind sie oft zeitlich gebunden und sehr schnelllebig. Dazu kommt der Punkaspekt: Sie sind nicht perfekt.
Was macht ein gutes Meme aus?
Ein gutes Meme ist aktuell. Es ist nicht überladen, der Text ist knapp oder absichtlich sehr lang. Es ist relatable, es ist nicht zu perfekt und es ist witzig. Das ist das Allerwichtigste.
Wie bist du dazu gekommen, dich mit Memes zu beschäftigen?
Ich bin Journalistin und habe vor ein paar Jahren mehrere Texte geschrieben, für die ich Hasskommentare im Internet bekommen habe. Um mit dem Hass umzugehen, habe ich aus diesen Kommentaren Memes gebastelt und auf meinem Instagram-Account gepostet. Ich habe aus Momenten, in denen ich mich total schlecht gefühlt habe, Momente gemacht, in denen ich darüber lachen konnte.
Warum konsumieren Menschen Memes mit feministischen Inhalten?
Das hat viel mit Zugänglichkeit zu tun. Du kannst mit einem Bild oder Video mit sehr kurzem Text Aussagen total zugespitzt artikulieren. Ein gutes Meme sehe ich und muss lachen. Auch die Relatability spielt eine Rolle: Ich sehe etwas und sehe mich darin. Dafür ist ein gewisser Erfahrungshorizont nötig, zum Beispiel, wenn da steht: »Der Macker, wenn er mich mansplaint«. Memes können in ihrer Zugänglichkeit auch Hürden haben, zum Beispiel gibt es meistens keine Bildbeschreibungen für Leute, die nicht sehen können. Auch Ironie ist manchmal schwer verständlich.
Welche Templates, also Vorlagen für Memes, und Memeseiten magst du besonders gern?
Ich würde mich nicht auf bestimmte Templates festlegen. Ich bin ein riesengroßer Fan davon, wenn Leute es schaffen, eine eigene Handschrift zu entwickeln und man sofort sieht, dass es ihr Meme ist. Das finde ich sehr beeindruckend.
Im deutschsprachigen Raum bei Instagram auf jeden Fall @sveamaus und @hinterhaltnymphe2, die sind witzig, cool und relevant. Bei TikTok bin ich ein großer Fan von @diehuepsche, auch wenn das keine klassische Memepage ist.
Wie können Memes zu feministischen Kämpfen beitragen?
In meinen Workshops sollen die Teilnehmenden herausfinden, was die Kernessenz dessen ist, was sie gerade wütend über ein gesellschaftliches Verhältnis wie Rassismus oder das Patriarchat macht, und daraus eine Forderung formulieren. Ein Missstand muss so knapp wie möglich benannt werden, damit man ihn auf ein Meme runterbrechen kann. In Memes können gesellschaftliche Probleme dargestellt werden, von denen man vorher nicht wusste, dass sie ein Problem sind. Wenn man dann Posts über, zum Beispiel, Catcalling sieht, erkennt man sich darin wieder und kann sich des Problems bewusstwerden.
Können sich durch Memes Gemeinschaften bilden?
Aktuell eher weniger, denn die Architektur von Social-Media-Plattformen steht dem entgegen: Instagram beispielsweise basiert auf Konkurrenzökonomien. Man möchte mit seinem Account eine möglichst hohe Reichweite und haben. Weil Menschen nur eine begrenzte Anzahl von Inhalten sehen und teilen können, konkurrieren die Accounts miteinander. Accounts, die zu ähnlichen Themen posten, vernetzen sich natürlich, aber manche Themen werden auch von den Algorithmen bestraft. Die Instagram-Userin @bundaskanzlerin postet beispielsweise über Transfeindlichkeit und darüber, dass ihre Inhalte häufig nicht ausgespielt werden. Die Plattformen verhindern strukturell Zusammenschlüsse.
Wie revolutionär können Memes sein, wenn sie über Plattformen verbreitet werden, die der Marktlogik und undurchsichtigen Algorithmen unterliegen?
Memes sind da genauso begrenzt wie jede andere Form des Ausdrucks auch. Sie sind eine von vielen Möglichkeiten, sich auszudrücken und gesellschaftliche Verhältnisse zu kritisieren. Dadurch können sie ein erster Kontaktpunkt sein. Zusätzlich sind sie Entertainment. Dass etwas einfach nur lustig ist, kann in einer Welt, die politisch am Arsch ist, auch das Potenzial wecken, daran zu arbeiten, dass sie eine bessere wird.
Das Interview führte Emma.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der critica Nr. 30. Du erhältst sie beim SDS in deiner Stadt oder kannst sie hier online lesen.