Politik für wen?

Politik für wen?

Die FDP warb lange mit sich als Fortschrittspartei, die Digitalisierung und Freiheit in das konservative, bürokratische Deutschland bringen würde. Eine Koalition mit ihr wurde den Mitgliedern der beiden anderen Ampel-Parteien, den Grünen und der SPD, als »Fortschrittskoalition« schmackhaft gemacht. Aber was für eine Politik betreibt die FDP, insbesondere ihr Parteivorsitzender Christian Lindner, wirklich seit zwei Jahren innerhalb der Regierung?

Die zentralen Wahlversprechen 2021 der FDP waren Steuersenkungen und keine weiteren Staatsschulden. Nach 16 Jahren Merkel sollte das Land endlich innovativer und moderner werden. In diesem Artikel soll aufgezeigt werden, mit welchen Mitteln die FDP versucht, diese Versprechen durchzusetzen.

Für wen macht die Partei eigentlich Politik? Das lässt sich anhand der Schlagzeilen aus den letzten Monaten sehr gut erkennen: Im Februar dieses Jahres erschien ein Dokument auf der Partei-Homepage, welches »weniger Ausnahmen vom normalen Mehrwertsteuersatz und einen Abbau fragwürdiger Steuerermäßigungen« forderte. Damit ist konkret gemeint, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von 7% auf die regulären 19% zu erhöhen und damit die Preise für Grundnahrungsmittel in einer Zeit in die Höhe zu treiben, in der sich ein Großteil der Bevölkerung sowieso kaum noch wöchentliche Einkäufe leisten kann, geschweige denn von gesunden. Im letzten Jahr sind die Lebensmittelpreise aufgrund der Inflation sowieso schon um 20% teurer geworden. Die Maßnahme der FDP würde einen erneuten Anstieg mit katastrophalen Folgen bedeuten. Begründet werden diese Forderungen damit, dass die Partei den Anstieg des Einkommenssteuersatzes abflachen, also geringer ansteigende Steuern bei erhöhtem Einkommen, und damit den Mittelstand entlasten möchte. Statt die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel gänzlich abzuschaffen und durch ein Anheben des Steuersatzes für das obere Drittel Steuergelder einzutreiben, soll der Staatshaushalt auf den Schultern der Ärmsten getragen werden.

Darüber hinaus wurde in dem veröffentlichten Dokument eine Senkung der Körperschaftssteuer gefordert. Besagte Steuer zahlen Aktiengesellschaften und GmbHs auf ihre Gewinne. Werden die Steuern darauf gesenkt, steigen die Gewinne. Allerdings nur die Gewinne derjenigen, die sich Aktienanteile leisten können, was in Deutschland nur eine sehr kleine privilegierte Gruppe von Menschen ist. 

Das Dokument wurde am folgenden Tag zurückgezogen und war Online nicht mehr abrufbar. Angeblich, weil es sich um einen unabgestimmten Entwurf handelte. Dass die kurzzeitig öffentliche Position, die Reichen zu stärken und die Armen zu schwächen, nun nicht einfach aus der Partei verschwunden ist, dürfte wohl klar sein.

Neben Steuersenkungen für Reiche und den Mittelstand, ist eine Schuldenbremse das zweite Credo von Christian Lindner und der FDP. Investitionen werden innerhalb der Regierung kaum zugestimmt, vor allem nicht in Ministerien, die soziale Ausgaben fordern oder klimafreundlichere Maßnahmen durchsetzen wollen. So forderte zum Beispiel die Familienministerin Lisa Paus 11 Milliarden Euro jährlich für die Kindergrundsicherung. Mit Verweis auf die Schuldenbremse blockierte Finanzminister Lindner allerdings jegliche Finanzierung. Dass für die Bundeswehr besagte Bremse kurzfristig umgangen und schnell 100 Milliarden Euro „Sondervermögen“ locker gemacht wurden, ist natürlich ein ganz anderes Thema. Wir befinden uns schließlich im Krieg. Arm ist nur jedes fünfte Kind in Deutschland.

Weitere 30 Ampel-Projekte werden derzeit wegen ungeklärter Finanzierungsfragen blockiert, darunter das Baugesetz, Ausbau des Schienennetzes und des öffentlichen Nahverkehrs, Pläne für tierfreundliche Ställe, sowie Pläne für die Heizungsanlagen bei denen 65% der Wärme aus erneuerbaren Energien erzeugt wird.

Neben der Umverteilung von unten nach oben kann man zusammenfassen, dass der FDP Klimaschutz schlichtweg egal ist. Nicht, dass sie Projekte nur unter dem fadenscheinigen Argument, es sei kein Geld da, blockiert, sie beschäftigt auch aktiv Klimaleugner in ihrer Partei. Der Berater Steffen Hentrich ist seit sechs Jahren bei der FDP beschäftigt und leugnet öffentlich eine Klimakrise. »Global ist es in den letzten Jahren kaum wärmer geworden«, behauptet er. Des Weiteren sagt er: »So wie ich die Studien lese, werden wir selbst in den Worst-Case-Szenarien in einer Welt mit viel mehr Wohlstand leben«. Wohlstand, den allerdings nur ein kleiner Teil der deutschen Bevölkerung, beziehungsweise der Weltbevölkerung, besitzt, wenn die Politik der FDP so weiter geht und ihre Entscheidungsgewalt nicht angegriffen wird.

Die Politik der FDP in der aktuellen Legislaturperiode ist geprägt von Klassenhass. Klassenhass gegen die Ärmsten und Arbeitenden dieses Landes. Nicht nur, weil sie sich kategorisch weigert, eine vernünftige Übergewinnsteuer oder Erbschaftssteuer einzuführen – auch sollen die Steuersätze für Reiche nicht einmal minimal angehoben werden. Stattdessen sollen indirekte Steuern, wie die Mehrwertsteuer, die alle Bürger*innen gleich treffen werden, steigen. Das bekommen die finanziell Schwächsten natürlich am härtesten zu spüren, da ihr individueller Anteil an Lebenserhaltungskosten prozentual sehr viel größer ist. Auch bezüglich der Klimamaßnahmen wird die Politik der FDP von Klassenhass geleitet. Werden in den nächsten Jahren Klimaziele nicht erreicht, weil die Regierenden keine konsequenten Maßnahmen durchsetzen, wird ein Großteil der Bevölkerung die Folgen von Extremwettern und Missernten noch brutaler zu spüren bekommen. Die meisten werden es sich nicht leisten können, in ihr kühles Landhaus zu ziehen, um vor den Hitzewellen der Stadt verschont zu bleiben. Nur die Reichsten werden sich die weiter ansteigenden Lebensmittel- und Energiepreise, evtl Wasserkosten, überhaupt leisten können. Nur Unternehmer*innen, Aktionär*innen, Banker*innen und Erb*innen gehören zu dieser priviligierten Schicht. Das sind ungefähr 1% der Menschen in Deutschland. Die FDP macht nur für dieses eine Prozent Politik. Nicht für den Mittelstand, nicht für Aufsteiger*innen. Die Politik der FDP ist überhaupt nicht darauf ausgelegt, dass Aufsteiger*innen der Sprung in das reichste obere Prozent gelingt. Sie möchte die Verhältnisse nicht aufbrechen und zugänglicher machen, sie möchte sie verfestigen, genauso wie sie sind. Sie betreibt Klassenkampf von oben.

Was bleibt uns jetzt übrig zu tun? Wie begegnen wir einer so menschenfeindlichen Politik? Wie Disarstar schon sagte: »Die Antwort auf die liberale Arroganz heißt Klassenkampf!« und zwar von unten.

Ronja studiert an der Uni Köln, an der es ihrer Meinung viel zu viele neoliberale Studis gibt, die immer noch an den »amerikanischen« Traum glauben.