32. Bundeskongress des SDS:

32. Bundeskongress des SDS:

Zwei Mal im Jahr trifft sich unser Verband zu einem dreitätigen Bundeskongress. Im Folgenden berichtet unsere Autorin über das Wochenende, an dem sie stellvertretend für die critica-Redaktion teilnahm.

Um am Bundeskongress teilzunehmen zu können, werden Deligierte der eingetragenen Ortsgruppen gewählt und entsendet. Der Kongress dient dem Diskurs um politischen Fokus, Projekte und Kampagnen für die nächsten Monate und zur Positionierung bei gesellschaftspolitischen Themen und Fragen. Im Vorfeld können Mitglieder Anträge schreiben und einreichen, die sowohl Analysen aktueller Krisen beinhalten als auch Ideen zu Workshop-Wochenenden oder Kampagnenideen für die einzelnen Ortsgruppen.

Unsere Autorin Ronja war dieses Mal beim Bundeskongress, um als Teil der critica Redaktion über die Verbandsdiskurse zu berichten. 

Am Wochenende vom 16.-18. Juni fand der 32. Bundeskongress unseres Verbandes in Stuttgart statt. Auf dem Programm stand neben einer Vielzahl an Anträgen auch die Wahl des neuen Bundesvorstands und der Geschäftsführung der FLINTA*-Liste. Zu Beginn hielten Bernd Riexinger (MdB) und ein Vertreter der »Roten Hilfe« am Samstag Grußworte. Im Anschluss wurde der Leitantrag des amtierenden Bundesvorstands und ein Alternativer Leitantrag aus Hamburg in einer Generaldebatte diskutiert. Der Leitantrag dient der Analyse der aktuellen politischen Lage und der Beantwortung der Frage »Was tun?«. Anträge zu laufenden Kampagnen wie TVStud und #wirfahrenzusammen wurden anschließend abgehandelt. Ein Resultat des Wochenendes ist, die Veranstaltung eines Seminarwochenendes zu TVStud und TV-Nahverkehr stattfinden, mit dem Ziel Arbeitskämpfe an die Unis zu bringen.

Ein historisches Ereignis konnte am Nachmittag abgestimmt werden: Ein ausgearbeiteter Leitfaden für den Umgang mit sexualisierter Gewalt wurde verabschiedet und die Wahl einer festen Ansprechgruppe in unserer Satzung verankert. Der Leitfaden orientiert sich an bestehenden Verfahren zu transformativer Gerechtigkeit und wurde aufgrund von Vorfällen sexualisierter Gewalt innerhalb unseres Verbands, aber auch darüber hinaus in der Linksjugend und der Partei, ausgearbeitet. Gegenstimmen zu dem Verfahren und der Ansprechgruppe im Allgemeinen kritisierten die Unverhältnismäßigkeiten zwischen Vorfällen und darauffolgenden Verfahren, sowie eine vermeintliche »Autorität« von Awarenessteams und Ansprechgruppen.  Es stand also zur Debatte, ob durch so einen Leitfaden Opfern von sexualisierter Gewalt ein sensibler Umgang mit der Tat ermöglicht wird, oder »vermeintliche« Täter*innen zu Unrecht beschuldigt werden und es vermehrt zu Diffamierung kommen könne. Letzteres wurde allerdings von einer Mehrheit des Kongresses abgelehnt: Die Ansprechgruppe konnte mit 86% Ja-Stimmen und damit der nötigen Zweidrittel-Mehrheit in der Satzung verankert werden. Lediglich 2 Ortsgruppen stimmten mit Nein. Die Ansprechgruppe bestehend aus 5 Personen (Julius aus Berlin, Dario aus Mainz, Mara Luise aus Leipzig, Chrissy aus Düsseldorf und Sophie aus Mainz) wurde am Sonntag vom Bundeskongress gewählt. Jede Person des Verbandes, die Gewalt erfahren hat, kann sich an diese Personen wenden, mit denen dann das weitere Verfahren abgesprochen wird.

Des Weiteren wurde der bisherige Bundesvorstand von den Deligierten auf dem Kongress entlastet und ein neuer Vorstand gewählt. Malena aus Aachen, Johanna aus Mainz, Josina aus Hannover, Viviane aus Berlin und Ari aus Frankfurt sind über die FLINTA*-Liste angetreten und in den Vorstand gewählt worden. Maxi aus Düsseldorf, Jonas aus Berlin, Julius aus Hannover und Nam Duy aus Leipzig wurden über die gemischte Liste gewählt, Mo aus Bonn übernimmt die Stelle des Schatzmeisters. Rita verlässt die Geschäftsführung nach zwei Jahren erfolgreicher und organisatorisch anspruchsvoller Arbeit. Nathalie aus Leipzig übernimmt das Amt als Nachfolgerin und wird für die nächste Zeit gemeinsam mit Joscha aus Mainz unsere politische Geschäftsführung sein.

Sonntagvormittag wurden zwei Anträge zu Frieden und Antimilitarismus diskutiert. Bei dem ersten handelt es sich um ein analytisches Positionspapier, das die Wiederaufstellung Deutschlands auf der Weltbühne und die neue Aufrüstungsbewegung in den Fokus nimmt. Die Interessen und Einflussbereiche der USA werden untersucht, genauso wie die Historie des Zerfalls der Sowjetunion und die folgende NATO-Osterweiterung. Zusätzlich wird aufgezeigt, dass Sanktionen und Inflation Hand in Hand gehen und sich zum Selbstverteidigungsrecht bekannt. Bei dem Krieg und der Einmischung der NATO geht es aber nicht mehr um pure Selbstverteidigung, stattdessen wird ein Interessenskonflikt ausgefochten. Streitpunkte waren hier, inwieweit der Westen Friedensverhandlungen sabotiert. Der zweite Antrag zu den Themen Frieden, Abrüstung und Diplomatie diskutiert inwiefern »Der Hauptfeind […] im eigenen Land« steht. Der Fokus des Textes liegt auf dem Sondervermögen der Bundeswehr, ihrer Imageaufpolierung und den Übungen der NATO-Luftstreitkräfte über europäischem Raum (Air Defender 2023). Was für uns zu tun sei, ist Aufklärungsarbeit auf dem Campus leisten: Friedenspolitische Bildung mit dem Fokus, eine Zivilklausel für alle Hochschulen zu erkämpfen, die Rüstungsindustrie zu enteignen und Friedensforschung wieder an Universitäten zu verankern. Streitpunkte waren hier primär der alleinige Fokus auf die Hochschule als Ort des Kampfes und die Legislative als einziges Mittel. Beide Anträge wurden angenommen.

Ein Dringleichkeitsantrag zur » gemeinsamen Handlungsfähigkeit« in der LINKEN wurde von Deligierten der Ortsgruppen Hamburg und Frankfurt eingebracht. Der Dringlichkeit wurde zwar nicht stattgegeben, dennoch wurde zeitlich begrenzt über das Thema diskutiert. Unter anderem darüber, ob man die Entscheidung des Parteivorstands zum Ausschluss Sahra Wagenknechts für sinnvoll erachtet, um wieder handlungsfähig zu werden, oder das Ausschließen von Parteimitgliedern aus einer pluralistischen Partei für fatal hält. Letztere Position wurde damit begründet, dass es wichtigere Krisen gibt, für die es eine Lösung braucht, als unterschiedliche Positionen innerhalb der Partei. Auf dem Bundeskongress wurde das Ausschlussverfahren dadurch gerechtfertigt, dass für viele das Verhalten und die Positionen von Wagenknecht und ihrem Lager nicht mehr akzeptabel seien und die Partei nur wieder handlungsfähig werden kann, wenn destruktive Positionen, die Strukturen verlassen haben.

Beendet wurde der 32. Bundeskongress mit der Wahl einer neuen Schiedskomission (Hanne aus Mainz, Ella aus Bonn und Lukas aus Frankfurt am Main) und Deligierten für den Bundeskongress der Linksjugend (Zafer aus Aachen, Marie aus Hamburg, Felix aus Mainz und Rita aus Nürnberg). Alle Anträge, die vom Bundeskongress nicht abgestimmt werden konnten, wurden an den Bundesvorstand übergeben und werden die folgenden Wochen in den Sitzungen diskutiert. Die, die abgestimmt wurden, könnt ihr demnächst in einem Beschlussheft nachlesen!

Der nächste Bundeskongress findet voraussichtlich Anfang Dezember in Hannover statt. Dafür können alle Ortsgruppen oder einzelne Mitglieder Anträge über die Ausrichtung und Arbeit des Verbandes schreiben, und somit unsere Praxis mitgestalten.

Ronja übernahm im April diesen Jahres die Redaktionsstelle bei der critica und sieht den Verband seit dem durch eine ganz andere Brille.