Keine Exzellenz für die Mehrheit

Keine Exzellenz für die Mehrheit

Keine Exzellenz für die Mehrheit

»Unternehmerische Hochschule« und »Exzellenzstrategie« – falsche Versprechen, die nur die reelle Verelendung der Hochschulen verdecken, meint Nicole Gohlke (bildungs- und wissenschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion).

Nicole, die Ökonomisierung der Hochschulen schreitet die letzten Jahrzehnte kontinuierlich voran: die Bologna-Reformen Anfang der 2000er, die Exzellenzinitiative 2005 und seit 2017 die Exzellenzstrategie, die einzelne Universitäten und Personen fördert, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu stärken. Wie schätzt du die Auswirkungen auf Lehre und Studierende ein?

Die Auswirkungen für Studium und Lehre sind verheerend. Seit der Bologna-Reform steht in den Universitäten vor allem das »Scheine machen« im Vordergrund und nicht die Bildung der Studierenden. Wenn wir heute die ach so großen Versprechungen von damals hören, wie z.B. das schnellere Erwerben von Abschlüssen, muss man selbst da sagen, dass gerade einmal 20% der Studis ihren Abschluss in der Regelstudienzeit machen. Darüber hinaus sinkt das Interesse an der eigenen Uni, was sich in der schwachen Demokratisierung vielerorts zeigt.

Und was hat es für Folgen für die Wissenschaft, wenn Forschung ausschließlich einen Nutzen für die Wirtschaft haben muss?

Wenn Forschung ausschließlich abhängig von der Wirtschaft ist, erleidet sie einen großen Schaden. Forschung muss sich frei mit den drängendsten Fragen unserer Zeit befassen und das ist nunmal nicht die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Produktionsweise. Gerade Geisteswissenschaften haben häufig einen geringeren Nutzen für die Wirtschaft, aber einen sehr hohen Nutzen für die Gesellschaft. Wenn wir also nur noch wirtschaftliche Interessen verfolgen, werden diese wichtigen Bereiche einfach untergehen.

Was siehst du für Möglichkeiten, Forschung und Bildung wirklich gerechter und zum Nutzen des Gemeinwohls zu gestalten?

In der Forschung brauchen wir zuallererst einmal eine anständige Bezahlung der Beschäftigten, weshalb ich den TVStud [Tarifvertrag für studentische Beschäftigte, Anm. d. Red.] sehr unterstütze. Damit ist es aber natürlich noch lange nicht getan. Wir haben in der Forschung über Jahrzehnte gewachsene klassistische Strukturen, die es zu überwinden gilt, damit auch das Kind der alleinerziehenden Kassiererin eine Professur antreten kann.