Für einen strategischen Neuanfang der Klimabewegung

Für einen strategischen Neuanfang der Klimabewegung

Kaum ein Thema ist in diesem Jahrhundert so wichtig wie der Kampf gegen den Klimawandel. Doch während die Politik regelmäßig dringend notwendige Entscheidungen hinauszögert und blockiert, schwindet der gesellschaftliche Protest. Was brauchen wir für eine kämpferische und erfolgreiche Klimabewegung, die effektiv Druck aufbauen kann?

Der Kampf der deutschen Klimagerechtigkeitsbewegung hat den Charakter eines Rückzugsgefechtes angenommen.  »Fridays for Future«, die 2019 noch in der Lage waren, allein in Berlin 270.000 Menschen zu mobilisieren, müssen sich 2023 mit 24.000 Menschen zufriedengeben – nach Angaben der Polizei sogar mit knapp 13.000. Nicht nur die bloße Präsenz auf der Straße ebbt ab, die Zustimmung in der Bevölkerung schwindet ebenfalls: Stimmten 2021 noch 68% der Befragten in einer Umfrage des More in Common Thinktanks den Zielen der Klimabewegung zu, waren es im Frühjahr 2023 nur noch 34%. Auch lokale Kämpfe, die über bloße Präsenz und Diskurshoheit hinausgehen – wie im Falle der Besetzung des Dannenröder Forstes oder Lützeraths – sind verloren. 

Die Menge derer, die in der Klimagerechtigkeitsbewegung aktiv sind, schrumpft gleichzeitig verschieben sich die Aktivitätsfelder und Aktionsformen. Ein Versuch, erneut gesellschaftliche Relevanz zu erlangen, stellen die Bemühungen der »Letzten Generation« dar. Diese sind gescheitert, da es sich hierbei nur um eine Intensivierung bekannter Formate handelt, nicht um einen strategischen Neuanfang.

Um diesen strategischen Neuanfang, abseits von klassischen Aktionsformen, wie Demonstrationen, Besetzungen und Blockaden in die Wege zu leiten, brauchen wir einen »labour turn« der Klimagerechtigkeitsbewegung.  Darunter verstehen wir, Interessen von Arbeiter*innen in den Mittelpunkt der Strategie von Klimaaktivist*innen zu stellen. Die Abwesenheit streikender Schüler*innen und Student*innen zieht keine unmittelbaren materiellen Konsequenzen nach sich: Es werden keine Profitinteressen verletzt, maximal handelt es sich um einen gesellschaftlichen Tabubruch. Streiken hingegen Arbeiter*innen wird der Produktionsfluss blockiert, Waren und Dienstleistungen können nicht mehr verkauft werden, was einen direkten Machthebel darstellt. Dieser Machthebel kann verschieden genutzt werden: Forderungen für Lohnerhöhungen, weniger Arbeitszeit, mehr Urlaubstage usw. – Ziele, welche die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten betreffen. Er kann allerdings auch für gesamtgesellschaftliche Ziele genutzt werden: Ausbau des ÖPNV und Förderung von günstigeren Preisen wie zum Beispiel dem 9 Euro Ticket, Subvention umweltfreundlicher Produkte, Streichung fossiler Subventionen und vieles mehr.

Ein vielversprechendes Möglichkeitsfenster stellt die Tarifverhandlung des öffentlichen Nahverkehrs (TVN) dar. Gegen Anfang des Jahres werden in allen Bundesländern – mit Ausnahme von Bayern – rund 80.000 Arbeiter*innen des öffentlichen Nahverkehrs aus der Friedenspflicht entlassen und befinden sich in Tarifverhandlungen. Damit eine Tarifverhandlung erfolgreich ist, braucht es nicht nur eine hohe Quote zum Streik bereiter Arbeiter*innen, es braucht auch ein hohes Maß an gesellschaftlichem Rückhalt. Wenn es gelingt, ein gesellschaftliches Bewusstsein für die Notwendigkeit eines gut funktionierenden öffentlichen Nahverkehrs zu schaffen – wozu attraktive Arbeitsbedingungen und ein Ausbau des ÖPNV gehören – gerät die Arbeitgeberseite und damit die Politik unter Druck, umfassenden Änderungen stattzugeben.

Zu diesem Zweck wurde die Kampagne #wirfahrenzusammen ins Leben gerufen. Es ist ein erster Versuch, Klima- und Arbeitskämpfe in Deutschland zusammen zu denken. Sollte es gelingen, gemeinsam mit den Beschäftigten des ÖPNVs einen Ausbau des ÖPNV sowie substantielle Verbesserungen der Arbeitsbedingungen zu erkämpfen, wird die Strahlkraft auf kommende Tarifverhandlungen immens sein und der Klimabewegung neuen Aufwind verschaffen. Zugleich schafft eine erfolgreiche Kooperation zwischen Beschäftigten und Aktivist*innen die Möglichkeit politischen Austausch über verschiedene Themen – wie den Zusammenhang zwischen Wachstumsimperativen, Ausbeutung und Umweltzerstörung in große Teile der Bevölkerung zu tragen.

Um aber nicht nur den Ausbau des ÖPNVs, sondern tatsächlich die Verkehrswende und eine klimagerechte Zukunft zu erkämpfen, müssen wir mehr werden und überall Arbeits- mit Klimakämpfen verbinden. Lasst uns dafür unsere öko-marxistische Analyse in die Praxis überführen und uns gemeinsam die Kampagne #wirfahrenzusammen unterstützen!

Lena ist seit diesem Jahr im SDS Mainz aktiv, Merlon und Bennet im SDS Berlin. Alle drei engagieren sich in ihren Städten bei #wirfahrenzusammen und kämpfen gemeinsam mit Beschäftigten für die Verkehrswende.