13 Apr Das Bestehende verteidigen, um darüber hinauszugehen
Der Journalist und Sozialwissenschaftler Sebastian Friedrich erklärt den Erfolg der AfD, wie sie die Jugend einnimmt und was dagegen zu tun ist.
Wir beobachten die letzten Jahre einen immer stärkeren Aufstieg der AfD. Was ist der Charakter dieser Partei und wie hängt sie mit anderen rechten Kräften in Deutschland zusammen?
Die AfD verbindet verschiedene rechte bis rechtsradikale Strömungen. In der Anfangszeit vor allem eine nationalkonservative und eine national-neoliberale Strömung. Heute dominiert aber vor allem ein völkischer Flügel. Die Partei ist heute strategisches Zentrum des modernisierten Rechtsradikalismus in Deutschland. Verschiedene rechtsradikale und rechte Initiativen, Organisationen und Medienprojekte kommen nicht nur nicht an der AfD vorbei, sondern beziehen sich ganz aktiv auf sie. Sie ist damit das dominierende Element des rechtsradikalen Projekts in Deutschland.
Wie lässt sich der starke Aufstieg der Rechten in den letzten Jahren erklären?
Die Gründe sind vielschichtig: Es hat sowohl etwas mit der Krise des Konservatismus zu tun als auch gerade in der Anfangszeit mit einer Krise der Kapitalfraktionen: Es gab während der Eurokrise Uneinigkeiten innerhalb des Machtblocks hinsichtlich der geeigneten Euro-Strategie, und auch daraus ist die AfD mit hervorgegangen. Sie konnte von Beginn an von der Krise der parlamentarischen Demokratie profitieren. Vor allem in den letzten Jahren profitiert sie verstärkt von einer zunehmenden Krise des Sozialen, die auch in Teilen der Arbeiter*innenklasse Unzufriedenheiten produziert hat. Nicht zuletzt kann sich die AfD aber auch die Krise der gesellschaftlichen Linken zunutze machen, weil es linke Kräfte in diesem Land weder geschafft haben in den letzten Jahren die zunehmende Unmut und Unsicherheit noch das stärker werdende Krisenbewusstsein von links zu politisieren, gerade auch hinsichtlich der Friedensfrage.
Es gelingt der AfD diese Unsicherheit mit rassistischen nationalistischen Argumenten zu beantworten. So auch bei der Friedensfrage: Sie beantwortete reale Unsicherheit mit einem chauvinistischen Verweis auf nationale Interessen.
Welche Rolle spielt die Jugend dabei?
Vermehrt stimmen auch Erstwähler*innen für die AfD. Sie hat sehr früh verstanden, die verschiedenen Social Media-Plattformen effektiv zu nutzen. Ich würde aber davor warnen, den Erfolg der AfD bei Jüngeren zu sehr auf ihre Aktivität in den sozialen Netzwerken zu beziehen. Es gibt in der Debatte die Tendenz zu sagen, wenn die anderen Parteien erfolgreicher bei Tiktok wären, dann wären Rechtsradikale deutlich schwächer. Ihre Präsenz in den sozialen Medien ist aber nicht Ursache ihres Erfolgs, sondern ein Verstärker. Die Jugend spielt auch für die sogenannte Neue Rechte eine wichtige Rolle: Die Neue Rechte ist als intellektuelle, elitäre Strömung innerhalb des rechtsradikalen Projekts eng verwoben mit der völkisch-nationalistischen Strömung. Die Weltveränderung geht aus Sicht der Neuen Rechten von der Jugend aus und deswegen muss auch die Jugend gezielt angesprochen und gestützt werden. Das macht die Neue Rechte in Form von Kaderausbildungen – und das nicht ganz erfolglos. So gibt es inzwischen einige jüngere Autoren und Intellektuelle, die intern ausgebildet wurden und einen sich zunehmend ausdifferenzierten rechtsintellektuellen Diskurs bedienen.
Wir merken, dass die Rechten stärker versuchen, die Unis als Räume zu vereinnahmen. Beispielsweise wird die AfD an Hochschulen eingeladen und rechte Gruppierungen wie die Junge Alternative treten stärker an den Unis auf. Welche Rolle spielen die Unis im rechten Hegemonieprojekt?
Die Neue Rechte schafft es, in der AfD ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass man ein Vorfeld aufbauen und in die Zivilgesellschaft reinwachsen muss. Dabei steht die Partei im Zentrum und es gibt verschiedene mit ihr verbundene Organisationen und Institutionen. Rechte Studierendengruppen und Burschenschaften sind auch Teil dieses Vorfelds. Zwischen der AfD und dem Burschenschaftsspektrum bestehen enge Verknüpfungen: Dort werden regelmäßig AfD-Politiker und Referenten aus dem neurechten, intellektuellen Vorfeld eingeladen.
Die Rechte ist sich im Klaren, dass es im akademischen Bereich in Gänze noch eine eher linksliberale bis linke Mehrheit gibt, die ein Resultat von linken Kämpfen unter anderem der 68er ist. Trotzdem versuchen sie sich an den Unis weiter auszubreiten. Mit einer stärkeren Resonanz in der ganzen Gesellschaft hat sie diese dann auch im akademischen Feld, wo sie versucht, Studierende anzusprechen und Kader zu rekrutieren.
Und was würdest Du in dem Kontext sagen, was die Aufgabe von linken Studis gerade im Kampf gegen rechts ist?
Ich konzentriere mich eher auf die Analyse und überlasse Schlussfolgerungen gerne anderen. Für Linke gibt es aktuell die schwere Aufgabe, kurz- und mittelfristige Abwehrkämpfe mit der langfristigen Perspektive von einer anderen Gesellschaft zu verbinden. Das Bestehende verteidigen, um darüber hinauszugehen. Das heißt einerseits an den Unis, sofern noch vorhanden, linke Mehrheiten verteidigen und darüber aufklären, welche Strategien rechte Strömungen, Aktivisten und Projekte an den Unis verfolgen. Und andererseits in die Offensive gehen und die Krise des Kapitalismus als eine Ursache für den Aufstieg der Rechten zum Ausgangspunkt für linke, sozialistische Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit machen.
Das Interview führte Hanne Lingnau, SDS Bielefeld. Foto: Lidija Delovska