21 Apr Antifaschistische Praxis
Polen
Die Mitte als schlechter Partner
In den letzten Jahren hat die extreme Rechte einen Aufschwung im Land erlebt. Vielleicht nicht in demselben Ausmaß wie in anderen Ländern, aber stetig. Die jüngsten Parlamentswahlen wurden als Niederlage bezeichnet, obwohl sie tatsächlich einige Sitze hinzugewonnen haben, lediglich nicht so viele wie prognostiziert. Sie verfügen über eine solide Wählerbasis, die sich hauptsächlich aus jungen Männern zusammensetzt. In der Zwischenzeit ist die polnische linke Mitte in der Politik weitgehend in den Hintergrund getreten. Der aktuell verworrene Zustand der Linkskoalition, die sich aus der linksliberalen »Neuen Linken« und der linkspopulistischen »Razem«-Partei zusammensetzt, bedarf einiger Erklärungen: Während die kleine Fraktion der Neuen Linken stolzes Mitglied der Mitte-Rechts-Regierung ist, befindet sich die »Razem«-Partei technisch gesehen in der Opposition, obwohl sie in der Linkskoalition verbleibt, mit dem Ziel, gemeinsam an den Wahlen teilzunehmen. Die meisten Wähler*innen verstehen diesen Unterschied nicht.
Die meisten Siege der Rechtsextremen wurden auf dem Rücken ihrer politischen Unabhängigkeit errungen. Während die polnische Politik von zwei Mitte-Rechts-Blöcken dominiert wird, kann sich die nationalistische »Konfederacja« trotzdem einigermaßen glaubwürdig als oppositionelle Kraft darstellen, was man von der Linken nicht mehr behaupten kann. Auch wenn ich »Razem« für eine enorme Verbesserung gegenüber früheren Formen linker Organisierung in Polen halte und viele ihrer Aktivist*innen als Genoss*innen betrachte, bin ich dennoch der Meinung, dass sie einfach nicht in der Lage ist, einen langfristigen Sieg für die Linke zu erringen. Vor allem, weil sie sich das gar nicht zum Ziel setzt.
Die früheren Versuche, eine linke Partei in Polen zu gründen, haben nicht genug Schwung entwickelt, um die liberale Hegemonie zu brechen. Um erfolgreich zu sein, müssen wir unsere Strategie deutlich machen, damit unsere Mitglieder wissen, worauf sie sich einlassen. Die Unabhängigkeit der Arbeiterklasse kann nicht aufrechterhalten werden, wenn wir uns an bürgerlichen Regierungen beteiligen oder dauerhafte Koalitionen mit bürgerlichen Parteien eingehen. Daraus folgt, dass wir unsere Prinzipien und unsere Autonomie nicht für kurzfristige Ziele aufgeben können, da wir dadurch unsere Glaubwürdigkeit verlieren und unsere strategischen Ziele völlig aus den Augen verlieren.
Die Aufgabe des Moments ist es, Arbeiterinitiativen an der Basis zu organisieren, sowie Interventionen in die bereits existierende Wahllinke vorzunehmen, um sie zu mehr Opposition zu zwingen. So können wir uns eines Tages in einer einzigen, unabhängigen Arbeiterpartei vereinigen. Die »Akcja Socjalistyczna« ist bereits in diesen Kampf involviert, auch wenn wir uns bewusst sind, dass es als kleine Organisation lange dauern wird. Dennoch müssen wir weiterhin für eine greifbare von den bürgerlichen Parteien unabhängige Alternative kämpfen.
Italien
Wenn Rechte regieren
Bezüglich des Rechtsrucks ist die italienische Situation vielleicht eine der schlimmsten in Europa. Seit September 2022 wird die Regierung von Giorgia Meloni geführt, Mitglied der Partei »Fratelli d’Italia«. Diese beruft sich auch heute noch auf ihre faschistische Vergangenheit und trägt immer noch die dreifarbige Flamme im Symbol – ein altes faschistisches Zeichen. Die Regierung entpuppt sich aufgrund fehlender Oppositionsarbeit im Parlament als Kriegstreiberin, die die Mittel für Gesundheits-, Schul- und Sozialwesen kürzt und die Armen allein lässt, während sie gleichzeitig die Militärausgaben erhöht und die Steuern für Reiche senkt. Von der wachsenden sozialen Ungleichheit lenkt sie ab, indem sie die Schuld bei Migrant*innen sucht. Palästinasolidarische Studierende lässt sie von Polizist*innen verprügeln. Durch die Einführung einer »autonomia regionale differenziata« wird den reichen Regionen erlaubt, ihre Ressourcen zu behalten, statt sie gleichermaßen auf das Land zu verteilen.
Es besteht die Gefahr, dass Italien aufgrund eines Mehrheitswahlsystems, das die meisten kleineren politischen Kräfte ausschließt, immer mehr zu einem autoritären Land wird. Gleichzeitig soll der Ministerpräsident die alleinige Entscheidungsmacht bekommen. Das alles geschieht auch aufgrund einer fehlenden linken Opposition. Seit Jahrzehnten werden Arbeiter*innen und Jugendliche von keiner politischen Kraft mehr vertreten, sodass fast 50 Prozent der Bevölkerung Nichtwähler*innen sind. Die linken Kräfte haben es noch nicht geschafft, die soziale Ungleichheit und Resignation in Klassenkämpfen münden zu lassen.
Darüber hinaus sorgt der Krieg in der Ukraine, oder Palästina für Unsicherheit und Angst. Einerseits, weil die Zahl derer auf der Flucht vor Angriffen und Massakern steigt, der Einsatz von Atomwaffen immer möglich ist, und andererseits der Krieg die Kosten für Energie und Grundbedürfnisse in die Höhe treibt. Das Bewusstsein für dieses Problem wird immer stärker und damit die Notwendigkeit, die Rechte zurückzuerobern, die uns durch jahrelange neoliberale Politik genommen wurden. Aus diesem Grund wird die »Rifondazione Comunista« zusammen mit anderen Kräften bei den Europawahlen im Juni mit einem Bündnis antreten, das den Titel »Pace, Terra e Dignità« (Frieden, Erde und Würde) trägt und dessen Hauptmerkmal die Ablehnung aller bewaffneten Konflikte ist. In der bevorstehenden Wahlkampagne werden wir versuchen, durch die Diskussion dieser Themen, Allianzen wiederherzustellen, insbesondere mit denen, die Frieden herstellen und ein besseres Leben für alle gewährleisten wollen, statt weiterhin dem Kapital zu dienen. Wenn wir Erfolg haben, wird dies auch ein kleiner Schritt sein, um den Vormarsch der Rechten in Europa zu bremsen.