27 Apr Die Bewegung ins Parlament bringen
Carola Rackete ist Spitzenkandidatin der Linken für die Europawahl. Als Ökologin arbeitete sie bereits zu klimapolitischen Themen, unter anderem in der Klimagerechtigkeitsbewegung. In ihrer Tätigkeit als Kapitänin der Sea Watch 3 war sie außerdem Teil der Seenotrettung im Mittelmeer. Die Erfahrungen ihres langjährigen Engagements innerhalb von politischen Bewegungen möchte sie nun mit ins EU-Parlament nehmen.
1. Du kommst ja aus der Klimagerechtigkeitsbewegung, warum kandidierst du jetzt für die Linke?
Weil wir eine Zusammenarbeit von Zivilgesellschaft, sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und Parteien brauchen. Wenn wir keine großen Bündnisse schaffen, haben wir keine Chance gegen Kapitalinteressen und Faschisten.
Ich kandidiere für die Linke und keine andere Partei, weil sie als einzige den aktuellen Rechtsruck nicht mitmacht und damit die Menschenrechte verteidigt. Weil sie als einzige Partei den Kapitalismus ablehnt und damit auch als einzige die Ursachen der Naturzerstörung klar benennt. Konsequenterweise nimmt die Linke auch keine Unternehmensspenden an.
In den sozialen Bewegungen gibt es zwar einiges an Skepsis gegenüber Parteien, aber angesichts des erstarkenden Faschismus, der extremen Ungleichheit und der Klimakatastrophe finde ich, dass wir den Staat als umkämpftes Feld nicht ignorieren können.
Ich kandidiere für das EU-Parlament, weil ich mich auch in anderen europäischen Ländern viel politisch engagiert habe und weil ein Großteil der Gesetze in Deutschland auf Richtlinien der EU basieren. Die EU ist also wichtig und gleichzeitig voll von Lobbyisten. Außerdem gibt es in der EU keine Brandmauer zwischen Faschisten und Konservativen. Mit dieser Wahl droht eine konservativ-rechte Mehrheit und damit fünf Jahre katastrophale Gesetzgebung aus Brüssel. Das können wir uns nicht leisten.
2. Welche Fähigkeiten hast du auf deinem bisherigen politischen Weg gelernt, die du in die Linke und in deine Arbeit im Europäischen Parlament einbringen möchtest?
Als professionelle Ökologin bringe ich vor allem Fachwissen zur Funktion von Ökosystemen mit, das ich im Umwelt- und im Agrarausschuss des Parlaments einbringen will. Wenn ich mir die jüngsten Entscheidungen im Parlament zur Pestizid-Reduktion oder zur Gentechnik anschaue, erscheint mir dieses Wissen dort bitter nötig.
Durch meine öffentliche Verhaftung 2019 habe ich leider viel Öffentlichkeit erhalten, die ich nun versuchen will, verantwortungsvoll einzusetzen. In unserem Team haben wir viel Wissen über Öffentlichkeitsarbeit, das wir nutzen wollen, um transparent zu machen, was in der EU passiert, denn viele Leute bekommen das gar nicht mit.
Nicht zuletzt bringen wir Erfahrungen und Kontakte aus den sozialen Bewegungen mit. Wir wollen Stimmen aus Bewegungen hörbar machen und ihre Arbeitsweise weitertragen. Dort arbeiten wir konsensorientiert und versuchen, Hierarchien flach zu halten und sie stets zu hinterfragen. Das bedingt ein hohes Level an Selbständigkeit, gute Vorbereitung und eine Sorge füreinander. So versuchen wir in unserem Team zu arbeiten und ich glaube, dass das ebenfalls gut für die Arbeit einer Partei sein kann.
3. Welche Vision hast du für die Linke als eine Partei der ökologischen Klassenpolitik?
Ich bin selbst nicht Parteimitglied, deshalb will ich keine detaillierte Vision ausformulieren, denn die Mitglieder gestalten die Partei. Ich wünsche mir aber eine Linke, die nah an den Leuten ist, indem sie ihre Anliegen unterstützt und hilft sich zu organisieren. Aber nah an den Leuten zu sein heißt beispielsweise auch, dass Abgeordnete noch einen größeren Teil ihrer Bezüge und ihrer Nebeneinkünfte spenden müssen. Dieses Geld könnte man nutzen, um Menschen im Alltag zu unterstützen. Zu guter Letzt finde ich eine Arbeiter*innenquote wie bei der PTB in Belgien und eine Mandatszeitbegrenzung wie bei der CUP in Katalonien wichtig, denn es soll nicht um persönliche Karriere gehen. Die Leute sollen sehen, dass es bei der Linken anders läuft als bei anderen Parteien.
Inhaltlich finde ich die Positionen der Linken insbesondere in der Sozial- und Wirtschaftspolitik richtig, da der Gedanke an Umverteilung und Gemeinwohl nach vorne gestellt wird. Wagenknecht, Ernst und Co haben viel Vertrauen verspielt und es braucht nun viel Einsatz und Vermittlungsarbeit, um dieses Vertrauen wieder aufzubauen. Ich finde EineLinkeFürAlle.de trifft den Ton dafür: ehrlich, selbstkritisch, verbindend und hoffnungsvoll. Das finde ich eine gute Richtung für die Linke.
4. Welches aktuelle Projekt gibt dir Hoffnung auf einen grünen Sozialismus?
Die Kampagne #WirFahrenZusammen. Hier kommen Menschen aus Bewegungen, Betrieben und der Linken zusammen. Die Leute bewegen sich aus ihren Blasen heraus, schauen nach gemeinsamen Interessen und lernen sich über die gemeinsame politische Arbeit besser kennen. Das finde ich sehr inspirierend.
Das Interview führte Josina Heidel, SDS Hannover.