Warum die Streiks im öffentlichen Dienst feministische Kämpfe sind

Warum die Streiks im öffentlichen Dienst feministische Kämpfe sind

Die übermäßige Ausbeutung von Frauen und Migrant*innen in Reproduktionsberufen ist kein Zufall, sondern das Ergebnis der kapitalistischen Wirtschaftsweise.

Pflegekräfte sind überlastet, Verwaltungen zunehmend mit Arbeitskräftemangel konfrontiert, Kita-Plätze fehlen und der öffentliche Dienst ist enorm unterfinanziert. Abhilfe schaffen soll die Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Kommunen und des Bundes, begonnen am 24. Januar 2025. Die Bundestarifkommission von ver.di, die in diesem Tarifstreit die Beschäftigten unter anderem im Verwaltungs-, Pflege- und Erziehungssektor vertritt, hat im Oktober 2024 bereits ihr Forderungspaket für den öffentlichen Dienst vorgelegt. Dass diese Forderungen weiterhin mit Nachdruck durchgesetzt werden, muss uns als Feminist*innen ein Anliegen sein: Der Schutz unserer Körper ist seit jeher ein zentrales Element feministischer Kämpfe. In der kommenden Tarifrunde wird nichts Geringeres ausgehandelt als die körperliche Unversehrtheit der Arbeitenden.

Pflege und Erziehung werden zur Reproduktionsarbeit gezählt. Jener Sektor, der verantwortlich für die Wiederherstellung der Arbeitskraft ist und nach wie vor überdurchschnittlich häufig von Frauen und Migrant*innen ausgeübt wird. Durch das kapitalistische Bestreben, mit günstiger Arbeitskraft großen Gewinn zu erwirtschaften, wird gerade diese Branche gering entlohnt, da sie nur indirekt zum Kapitalertrag beisteuert. Dass Reproduktionsarbeit systematisch unterfinanziert und auf marginalisierte Gruppen abgewälzt wird, ist Ergebnis kapitalistischer Logik: Der Wert der Arbeit wird an ihrem Beitrag zur Mehrung des Kapitals gemessen. Reproduktive Arbeit muss daher zwangsläufig abgewertet werden, was sich im bezahlten Sektor sowie in der unbezahlten Care-Arbeit zeigt. Legitimiert wird die Unterbezahlung dieser Berufe durch die gesellschaftlich-moralischeHerabsetzung der Arbeiter*innen und ihrer Arbeit: Narrative, wie die aus Liebe handelnde Frau oder Migrant*innen, die sich glücklich schätzen sollten, für jeden noch so prekären Arbeitsplatz in Deutschland, naturalisieren und festigen die systemische Ungerechtigkeit in der Reproduktionsarbeit.

Trotz der grundlegenden Bedeutung der reproduktiven Tätigkeiten für Kapital und Gesellschaft wird der Reproduktionsbereich an den äußersten gesellschaftlichen Rand gedrängt, abgewertet und ausgebeutet. An dieser Stelle muss der Arbeitskampf im öffentlichen Dienst ansetzen und von uns als Feminist*innen unterstützt werden. Konkret fordert ver.di in der ersten Tarifrunde zunächst eine Entgelterhöhung um 8 Prozent, mindestens aber um 350 Euro monatlich für alle Beschäftigten, sowie höhere Zuschläge für besonders belastende Tätigkeiten. Des Weiteren sollen die Beschäftigten durch ein Zeitkonto mehr Souveränität und Flexibilität für ihre Arbeitszeiten erhalten. Ver.di stellt zudem Forderungen für die Gleichstellung von Teilzeitkräften, welche zumeist Frauen sind. Angestellte in Teilzeit erhalten momentan erst dann Überstundenzuschläge, wenn sie die Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten überschreiten. Am 5. Dezember 2024 hat bereits das Bundesarbeitsgericht gegen diese Ungleichbehandlung von Teilzeitkräften geurteilt, was der Gewerkschaft Rückenwind bringt.

Dass besonders weibliche und migrantisierte Menschen unter den Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst leiden, ist kein Zufall. Es ist das Ergebnis eines Systems, das die Endlichkeit der menschlichen Arbeitskraft durch übermäßige Ausbeutung im Reproduktionsbereich zu kompensieren versucht. Das wird durch patriarchale und rassistische Strukturen ermöglicht und legitimiert. Feminist*innen haben längst erkannt, wie Unterdrückungssysteme der kapitalistischen Ausbeutung zuspielen. Es ist Zeit, diese Diskurse in Kämpfe der Arbeiter*innen aufzunehmen! In Tarifverhandlungen muss die Diskrepanz zwischen der Bewertung und Behandlung von Produktionsarbeit und Reproduktionsarbeit gesehen und bekämpft werden. Das gelingt nur mit einer feministischen und antirassistischen Analyse und einem gemeinsamen Kampf!

Doro (20, Soziologie) und Pola (19, Politikwissenschaft und Französisch) studieren in Bielefeld und wollen, dass Reproduktionsarbeit und die Existenz Bielefelds endlich anerkannt werden.