Was ist feministische Außenpolitik?

Was ist feministische Außenpolitik?

Kristina Lunz, Mitbegründerin des Centre for Feminist Foreign Policy versucht in ihrem Buch das Konzept der feministischen Außenpolitik greifbar zu machen. Damit bleibt sie allerdings hinter ihren Ansprüchen zurück.

Seit dem Beginn des Ukrainekrieges wurde auch in Mittel- und Westeuropa klar, dass Frieden in Europa nicht selbstverständlich ist. Das Bedürfnis nach einer neuen Sicherheitspolitik wurde stark, und schnell wurde auf feministische Außenpolitik geschaut – nicht zuletzt weil die damals noch recht frische Ampelregierung im Koalitionsvertrag eine »wertebasierte« Außenpolitik versprach und deren Außenministerin Annalena Baerbock eine »feministische« Außenpolitik ankündigte. Das Konzept war schon damals nicht neu. Das britisch-deutsche Centre for Feminist Foreign Policy (CFFP) bearbeitet diese Thematik als Denkfabrik bereits seit 2016 wissenschaftlich. Dessen Mitbegründerin Kristina Lunz, hat Anfang 2022 ein Buch zu feministischer Außenpolitik herausgegeben, mit dem entsprechenden Titel »Die Zukunft der Außenpolitik ist feministisch«.

Auf knapp 400 Seiten gibt sie einen Überblick über den aktuellen Stand der Diplomatie, die Rolle von Frauen darin in Theorie und Praxis, sowie einen Ausblick auf aktuelle Politikfelder der feministischen Außenpolitik: Dazu gehören neben der Sicherheitspolitik auch die Gesundheits- und Klimapolitik sowie die Abrüstung. All diese Themenfelder bearbeitet Lunz mit großer Fachkenntnis und auch mit persönlichen Einblicken in die diplomatische Arbeit. Es ist spannend, ihre Ausführungen zu lesen, beispielsweise wenn sie  über Bemühungen der UN zur Verbesserung der Rechte von Frauen und LGBTIQ-Personen oder den Arbeitsbedingungen queerer Diplomat*innen berichtet. Auch die Portraits von Akteur*innen feministischer Außenpolitik sind erwähnenswert. Außerdem ist ihre Perspektive interessant, Außenpolitik nicht von Staaten oder Regierungen her zu denken, sondern Zivilbevölkerung und lokale Akteur*innen einzubeziehen, da diese einem materialistischen Verständnis von Außenpolitik sehr nahekommt. Dieses Verständnis sollte allerdings nur ein Anfang sein, um Außenpolitik komplett neu zu denken und vollkommen auf die Zivilbevölkerung zu zentrieren.

Inhaltlich fehlt dem Buch der Mut zur Tiefe. Das Konzept der Feministischen Außenpolitik selbst wird nie explizit erklärt, der Kern feministischer Außenpolitik – die drei Rs; Repräsentation, Rechte, Ressourcen; kommen nur am Rande vor. Lunz hätte ihren Leser*innen mehr Detailwissen zutrauen können. Eine wirkliche Ideengeschichte von feministischer Außenpolitik hätte dem Buch sehr gutgetan, denn es geht häufig um die Praxis, aber leider etwas wenig um die Theorie oder die aktuellen Diskurse. Ein solcher inhaltlicher Teil hätte dem Verständnis der Praxis sehr geholfen. Als Einführungswerk eignet es sich daher nicht.

Im Text versucht sie ihre Beschreibungen mit persönlichen Anekdoten zu durchweben, vermutlich um so einen unmittelbaren Zugang zu schaffen. Allerdings funktioniert das selten. Oft versucht sie am Anfang der Kapitel einen persönlichen Einstieg zu schaffen. Doch leider ist die Arbeit in der Diplomatie –nicht für alle relatable. Für mich als feministisch Aktive war das Buch insgesamt leider eher enttäuschend. Vielleicht weil es nicht für Feminist*innen geschrieben wurde, die sich nicht mit Internationalen Beziehungen auskennen – aber darüber scheint sich das Buch selbst nicht im Klaren zu sein. Der Titel erregt zwar die Aufmerksamkeit einer jeden Feminist*in, allerdings fängt Lunz vom feministischen Urschleim an und erklärt beispielsweise die Entstehung des Patriarchats, oder dass der Klimawandel menschengemacht ist. Sollte die Lektüre also eher von Menschen gelesen werden, die sich mit Außenpolitik beschäftigen und diese feministischer gestalten wollen? Dafür ist das Format zu populärwissenschaftlich, arbeitet mit vielen Wiederholungen und Versuchen eines persönlichen Zugangs. Das Buch hat beide Seiten, und es würde ihm guttun, sich für eine zu entscheiden, oder klarer zwischen ihnen zu unterscheiden.

Auch die häufigen Berichte über die Arbeit des CFFPs oder von Lunz stören und waren nur begrenzt interessant, da ich diese aufgrund der fehlenden theoretischen Grundlange nur schwer einzuordnen waren. Ein Standardwerk über feministische Außenpolitik mag dieses Buch nicht werden, über das CFFP vielleicht schon eher. Und doch ist es ein spannender Einblick in eine Außenpolitik jenseits von Machtblöcken, und ich freue mich auf weitere Veröffentlichungen zu diesem Thema. Eine Lektüre hätte vielen Linken Kommentator*innen am Anfang diesen Jahres gut getan und allein dafür lohnt sich ein Blick in das Buch.

Christina Lunz: Die Zukunft der Außenpolitik ist feministisch. Econ Verlag. Hardcover. 448 Seiten. 22,99€. ISBN 978-3-430-21053-9

Bildquelle: Dirk Vorderstraße, CC BY 3.0

Mara Luise Günzel schreibt vor allem über Queere, insbesondere Trans und lesbische Kämpfe sowie über Klassenpolitik. Sie studiert Museumswissenschaften in Leipzig und kann gern für Vorträge zu den oben genannten Themen eingeladen werden.