Zeitenwende im Pazifik

Zeitenwende im Pazifik

In den letzten Jahren hat sich die Konfrontation zwischen den USA und China verschärft. Verlagerung von Militär in den Pazifik, ein mögliches TikTok-Verbot, all das spricht dafür. Zusätzlich gab es seit der Invasion der Ukraine durch Russland in ganz Europa eine Welle der Aufrüstung. Beides führt zu einer kritischen weltpolitischen Entwicklung.

Seit dem 24. Februar 2022 haben sich die sicherheitspolitischen Hardliner in der Debatte um Verteidigungs-, Sicherheits- und Außenpolitik durchgesetzt. Deutschlands Militärausgaben, die siebtgrößten der Welt, gelten als »Unterfinanzierung« und Menschen, die sich von der Bundesregierung einen diplomatischen Einsatz für eine Waffenruhe in der Ukraine wünschen, werden als naiv und fünfte Kolonne Moskaus verunglimpft. Für diese neue Realität wird die Entspannungspolitik Willy Brandts als historischer Fehler getilgt. Gleichzeitig schwört sich die »Früher war ich Pazifist, aber«-Fraktion, welche ihren parteilichen Ausdruck bei den Grünen findet, mit SPD, FDP und CDU weiter ein. Ihnen geht es darum, Deutschlands militärische Rolle in der Welt neu zu verordnen. Neben dem historischen Aufrüstungsprogramm heißt »Zeitenwende« auch: Eingliederung in die amerikanische Konfrontationspolitik gegen den bösen (und »undemokratischen«) Rest der Welt. Eine gefährliche Richtungsentscheidung.

Mal wieder Mitläufer? Mit dem »großen Bruder« in eine neue Blockkonfrontation

Aus Sicht des deutschen und europäischen Militarismus hat sich am Krieg in der Ukraine ein offenes Geheimnis bewahrheitet: Die EU kann sich nicht verteidigen. Die vermeintlich eingeschränkte militärische Handlungsfähigkeit der EU an ihren Außengrenzen manifestiert zusätzlich ihre sicherheitspolitische Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten. Der »große Bruder« ist zurück.

In Zeiten bröckelnder amerikanischer Welthegemonie und des Aufstiegs Chinas hat sich die US-amerikanische Schwerpunktsetzung, spätestens seit Trump, auf das »Reich der Mitte« konzentriert. So lässt sich eine zunehmende Konfrontation mit China seitens der USA feststellen. Auch viele EU-Staaten wie Deutschland haben sich dazu entschieden, diese Politik zu übernehmen. Nicht zuletzt werden der Indo-Pazifik und China zum ersten Mal in der neuen NATO-Strategie erwähnt.

Die große Problematik der westlichen Konfrontationspolitik besteht darin, dass es für den Westen unliebsame Regional- und Großmächte weiter zusammentreibt. Diese Festschreibung gegenseitiger Abhängigkeiten trägt zu einer Blockbildung bei. Das zeigt sich momentan am deutlichsten im Ausbau der strategisch-ökonomischen Partnerschaft zwischen Russland und China.

In den letzten Jahren hat sich die Rhetorik gegen die Volksrepublik im öffentlichen Diskurs, aber auch in der politischen Rhetorik stark verschärft. Annalena Baerbock spricht mit Blick auf China von einem Kampf der Systeme. Die zugespitzte Dämonisierung Chinas ist ebenso Teil des bedingungslosen Einreihens Deutschlands und der EU hinter den Konfrontationskurs der USA. Es geht dabei nicht um die Verteidigung von Freiheit oder Menschenrechten, wie es gerne betont wird. Es geht darum, die westliche und vor allem amerikanische Vormachtstellung in der Welt aufrechtzuerhalten. Es bleibt beim Alten: Internationale Politik ist gekennzeichnet von Machtpolitik und den Kampf um Einflusszonen.


Deutschland muss aus der Logik des Krieges ausbrechen

Deutschland und seine EU-Partner müssen die Konfrontation der USA ablehnen und einen deeskalierenden auf Dialog ausgerichteten Mittelweg einschlagen. Nur dadurch kann man der laufenden Blockbildung entgegenwirken. Das ist nicht nur die historische Verantwortung und Lehre aus dem Kalten Krieg, vielmehr ist es in Zeiten atomarer sowie konventioneller Hochrüstung und wiederkehrender Blockbildung unverantwortlich, diese Eskalation mit anzufeuern. Das bedeutet: Aus der Logik des Krieges auszubrechen. Initiativen für Rüstungskontrolle und Abrüstung wären dafür ein Anfang. Außerdem muss der Begriff der Sicherheit nicht mehr rein militärisch gedacht werden. Im Anblick der Klimakatastrophe führt kein Weg an internationaler Zusammenarbeit vorbei. Dafür muss der Westen auf seinen Hegemonieanspruch verzichten und sich auf den Aufbau einer multipolaren Welt einlassen. Ganz nach dem Motto: Ein Tisch steht besser auf vier Beinen als auf einem.

Paul Fürst (24) studiert in Berlin, ist Schatzmeister des SDS und setzt sich (spätestens seit dem, er aufgehört hat, World of Tanks zu spielen) für Abrüstung ein.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der critica Nr. 30. Du erhältst sie beim SDS in deiner Stadt oder kannst sie hier online lesen.