Armut trotz BAföG – über finanzielle Unsicherheit und fehlende Unterstützung

Armut trotz BAföG – über finanzielle Unsicherheit und fehlende Unterstützung

Durch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie und die Preissteigerungen seit 2022 hat sich die ohnehin schon prekäre Lage Studierender noch verschärft. Dies hat viele Studierende vermehrt vor existenzielle Herausforderungen gestellt – die Frage nach einer angemessenen finanziellen Unterstützung hat daher an Dringlichkeit gewonnen. Dennoch sieht der Bundeshaushalt eine starke Kürzung im BAföG-Topf vor.

37 Prozent der Studierenden in Deutschland sind armutsgefährdet – das fand die Studierendenbefragung in Deutschland im Jahr 2021 heraus. Bei Studierenden, die allein oder nur mit anderen Studierenden zusammenwohnen, liegt die Quote sogar bei 76 Prozent. Das verwundert nicht, denn gerade die seit Jahren steigenden Wohnkosten belasten Studierende stark. Haushalte, die mehr als 40 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommen für ihre Miete aufwenden, gelten in Deutschland als überbelastet. Studierende, die allein oder in WGs leben, geben im Schnitt 51 Prozent aus. Sie sind also deutlich überbelastet. In zehn deutschen Städten liegt der Durchschnittspreis für ein WG-Zimmer 2023 bei über 500 Euro im Monat. Im BAföG-Satz sind jedoch nur 360 Euro für Miete vorgesehen. Das reicht in über 70 Unistädten in Deutschland nicht. So gaben auch bei einer Sozialerhebung an der Uni Hamburg 86 Prozent finanzielle Gründe dafür an, warum sie weiterhin bei ihren Eltern leben. 

Bereits 2021 konnten 38,5 Prozent der Studierende keine unerwarteten, größeren Kosten finanziell stemmen. Seitdem hat die finanzielle Belastung von Studierenden – durch Preissteigerungen (gerade bei Lebensmitteln und Energiekosten zwischenzeitlich bis zu 20 Prozent) und mangelnde Erhöhungen von Löhnen und Sozialleistungen – weiter zugenommen.

Auch die psychische Belastung Studierender hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Viele Studierende denken über einen Abbruch ihres Studiums nach, die psychologischen Beratungsstellen an den Hochschulen sind komplett überlaufen. So nahm in Hamburg die Nachfrage zwischen 2018 und 2023 um 74 Prozent zu, während in Aachen derzeit bis zu 130 Studierende pro Monat von der Beratungsstelle aus Kapazitätsgründen abgewiesen werden – auch eine Folge der jahrzehntelangen Unterfinanzierung der Hochschulen.

Natürlich sind psychologische Probleme nicht nur auf finanzielle Probleme zurückzuführen. Leistungsdruck, Nachwirkungen der Pandemie und andere Faktoren spielen hier selbstverständlich auch eine Rolle. Jedoch verstärken finanzielle Probleme die psychologische Belastung beträchtlich, sodass sie häufig Thema in den Beratungsstellen werden. Gut, dass es in Deutschland eine Förderung gibt, die Studierende finanziell unterstützen soll.

»BAföG – mehr für dich«

Die Leistung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG, wurde eingesetzt als staatliche Existenzsicherung für Studierende – in der Realität wird ein finanziell sorgenfreies Studium allerdings kaum ermöglicht. Die Kritik an BAföG als unzureichend und zu bürokratisch ist nicht neu. So sorgen niedrige Elternfreibeträge und andere Ausschlusskriterien dafür, dass nur noch 13 % der Studierenden überhaupt BAföG-berechtigt sind. Bevor man Geld bekommt, muss man sich erstmal durch den Antrags-Dschungel kämpfen und dann häufig mehrere Monate auf das Geld warten. Gleichzeitig entsprechen die Fördersätze schon lange nicht mehr den reellen Lebenshaltungskosten, nicht nur in Bezug aufs Wohnen. Viele Studierende starten deshalb mit einem hohen Schuldenberg ins Berufsleben. Die aktuellen Kürzungen im BAföG-Topf zeigen deutlich, dass die Ampel-Regierung nicht vorhat, an dieser Situation etwas zu ändern. Stattdessen setzt sie darauf, dass in den nächsten Jahren noch weniger Leute BAföG genehmigt bekommen, damit an der Austeritätspolitik festgehalten werden kann.

BAföG läuft dabei so schlecht und wird gleichzeitig so dringend von Studierenden benötigt, dass es einfach fällt, erstmal nur die Erhöhung der Regelsätze und der Elternfreibeträge zu fordern. Gerade für uns als sozialistischen Studierendenverband sollte die Kritik an BAföG allerdings weiter gehen.

Die Forderung nach elternunabhängigen BAföG bzw. einem Studienhonorar beinhaltet auch immer eine Debatte um die Selbstwahrnehmung und Emanzipationsbestrebungen von Studierenden. Schon 1946 forderte die französische Studierendengewerkschaft UNEF ein Ausbildungsgehalt für Studierende. Hintergrund war das Selbstverständnis der Studierenden als (Geistes-)Arbeiter*innen. Daran anschließend behandelt auch die Hochschuldenkschrift des historischen SDS das Thema der Studienfinanzierung und forderte ein elternunabhängiges Studienhonorar (siehe S. 4) – übrigens auch für Auszubildende. 

Durch Druck der Studierendenbewegung wurde 1971 BAföG als nicht-rückzahlungspflichtigen Vollzuschuss eingeführt. Zuvor gab es in der BRD nur das sogenannte »Honnefer Modell«, eine Begabtenförderung, die Bildungsprivilegien weiter schützen sollte. So war die Einführung von BAföG ein erster Erfolg der Bewegung. Bereits 1974 unter Helmut Schmidt wurde BAföG allerdings zu einem teilweise rückzahlungspflichtigen Kredit umgebaut und damit begann der immer weitere Abbau. Hatten bei der Einführung noch fast die Hälfte aller Studierenden Anspruch auf die Förderung, gilt dies heute nur noch für knapp 13 Prozent der Studierenden. Auch liegt der BAföG-Satz mittlerweile unterhalb der Armutsgrenze.

Ein Studium sollte frei von finanziellen Zwängen sein, aber die Forderung nach einem elternunabhängigen BAföG oder Studienhonorar geht politisch weiter. Sie setzt daran an, sich als Studierende nicht nur als Konsument*innen von Lehrveranstaltungen zu betrachten, sondern sich auch als Teil der Arbeiter*innen zu sehen, die Wissen produzieren. Gleichzeitig bietet es die Möglichkeit der materiellen Freisetzung zum selbstbestimmten und kritischen Lernen und gehört damit zu einem modernen kritischen Wissenschaftsverständnis.

Die Debatte rund um BAföG und Studienhonorar ist daher immer ein politisch-symbolischer Kampf um das Selbstverständnis von Studierenden als Arbeiter*innen sowie eine Emanzipationsbestrebung. Dennoch zeigt die soziale Lage der Studierenden eindringlich, dass wir gerade jetzt ein gut funktionierendes BAföG brauchen, das inflationssicher ist.

Malena (24) studiert Angewandte Geographie in Aachen und wartet vermutlich immernoch auf ihr Geld.