03 Apr Alle gehen nach Rechts – Was tun?
Seit ihrer Gründung im Jahr 2013 hat die AfD kaum Dämpfer einstecken müssen – ihre Umfragewerte liegen aktuell bei circa 20 Prozent – und das obwohl, oder gerade weil sich der rechtsextreme Flügel immer stärker durchsetzt. In europäischen Ländern wie Portugal, Italien, den Niederlanden oder Schweden sieht es ähnlich aus. Rechtsnationale Parteien sind immer weiter auf dem Vormarsch oder stellen schon die Regierungen. Was ist unsere Strategie gegen ein rechtes Europa?
Die im Januar dieses Jahres veröffentlichte Correctiv-Recherche, berichtete von einem Geheimtreffen führender AfD-Politiker*innen, Neonazis und Unternehmer*innen, bei dem Abschiebepläne für Asylsuchende, Menschen mit Bleiberecht in Deutschland sowie Bürger*innen mit Migrationsgeschichte ausgearbeitet wurden. Der Schrecken in der Bevölkerung war groß – über Wochen gingen Millionen von Menschen bundesweit auf die Straße, um gegen die AfD und den Rechtsruck zu demonstrieren.
Diese Enthüllung war dabei keine Überraschung: Die AfD befindet sich seit Jahren in einer Radikalisierungsschleife – der Einfluss verfassungsfeindlicher Strömungen und unmissverständlich rechtsextremer Propaganda nimmt immer weiter zu; weite Teile der AfD werden vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft. Trotzdem steigen die Umfragewerte der Partei stetig an, in Sachsen, Thüringen und Brandenburg könnte sie bei diesjährigen Landtagswahlen stärkste Kraft werden.
Partei fürs Kapital
Die Politik der AfD funktioniert nach dem Prinzip der »exklusiven Solidarität«: Konflikte zwischen oben und unten werden in ein »Unser Volk versus fremde Kulturen« umgedeutet und damit die Dimension der Klassenunterschiede systematisch verschleiert. Sie inszeniert sich als Partei der kleinen Leute, während sie gleichzeitig ihren kapitalen Unterstützern verspricht, die Militarisierung und den Sozialabbau noch weiter auf die Spitze zu treiben, falls sie selbst an die Macht kommt. Es soll vermehrt abgeschoben werden, »der kulturelle Raum Europa muss geschützt werden«. So wird beispielsweise die Ablehnung von Migrant*innen und Geflüchteten zur Grundlage für die Unterstützung der autoritär-populistischen Politik. Parallel dazu, soll auch der Fortbestand des globalen Kapitalismus gesichert werden.
Abschottung, verstärkte Sicherheitspolitik, Aufrüstung und Remigration sind alles Versuche die Strukturwidersprüche des kapitalistischen Systems zu regulieren, indem die Folgen der neokolonialen Ausbeutung externalisiert werden. Das System verstärkt die Fluchtursachen dabei immer weiter: unbewohnbare Landstriche und begrenzte Ressourcen durch die Klimakrise werden zu mehr Konfrontationen und Kriegen führen, Menschen werden vermehrt fliehen müssen oder werden vertrieben. Das kalkulierte Sterbenlassen der EU an den Außengrenzen wird Flucht und Migration nicht verhindern.
Austeritätspolitik als Nährboden für die Rechten
Doch rassistische Polemik und Politik ist kein Alleinstellungsmerkmal der AfD. Auch die etablierten Parteien von Union bis Grünen leisten ihren Beitrag zum fortschreitenden Rechtsruck. Headlines wie »Wir müssen endlich im großen Stil abschieben!« kommen vom SPD-Kanzler und nicht etwa von Björn Höcke. Die Migrant*innen seien schuld, wenn man beim Zahnarzt keinen Termin bekommt, nicht der Sozialabbau. Und »um dem Sozialbetrug ein Ende zu bereiten, müssen Bezahlkarten für Geflüchtete eingeführt werden«, was einer rassistischen Kontrolle gleichkommt. Solche Stigmatisierungen und Falschaussagen, nehmen der AfD nicht den Wind aus den Segeln, sondern treiben die Spaltung der Gesellschaft und den rassistischen Hass nur weiter voran.
Die Politik der Ampel-Regierung bietet den perfekten Nährboden für den Aufstieg der Rechten: Wo Investitionen in Bildung und Soziales getätigt werden müssten, hält die Ampel an der Schuldenbremse fest. Parallel werden 100 Milliarden für Militarisierung locker gemacht. Es gibt weder einen Mindestlohn von 14 Euro noch ein Klimageld, die Kindergrundsicherung wurde unter das absolute Minimum abgespeckt. Darüber hinaus geht die Ampel ebenso wie ihre Vorgängerregierungen Krisen wie den Klimawandel (und daraus resultierende Migration) nicht offensiv und mit Fokus auf soziale Gerechtigkeit an, stattdessen macht sie weiterhin Politik für Großverdiener. Dadurch wird die soziale Ungleichheit innerhalb der Bevölkerung verfestigt. Die Ampel macht keinerlei Politik für Niedriglohnbeschäftigte und treibt so die Wähler*innen in die Arme der AfD.
Keine Brandmauer in Europa
Doch nicht nur in der Bundesrepublik sind die Rechten stark, auch in anderen europäischen Ländern gewinnen sie immer weiter an Einfluss oder stellen bereits Regierungen. Das wird sich massiv auf die diesjährige Wahl des Europaparlaments auswirken. Das liberal-konservative Bild der EU als »Friedens- und Fortschrittsprojekt« gerät schnell ins Wanken, bedenkt man die aktuelle Rolle der EU in Energie- und Migrationspolitik. Die Innenansichten von Carola Rackete und Özlem Alev Demirel, beide Kandidatinnen der Linken fürs Europaparlament, zeigen, welche Interessen die EU in Wahrheit leiten, wie auch hier Militarisierung und Sozialabbau vorangetrieben werden und welche Lösungsansätze es auf parlamentarischer Ebene gibt. Welchen Einfluss der Rechtsruck auf den politischen Aktivismus auf den Straßen, in den Vereinen, Gewerkschaften und Hochschulen hat, berichten Genoss*innen aus Griechenland, Italien, Katalonien, der Türkei und Polen.
Militarisierung, Sozialabbau und Repressionen begleiten auch die Lage an den Hochschulen. Deutlich zeigt sich dies an den aktuell stattfindenden medialen und juristischen Angriffen gegen palästinasolidarische Studierende und Wissenschaftler*innen sowie an den Versuchen der herrschenden Politik, die Hochschulen für die Aufrüstung und Kriegsertüchtigung der Gesellschaft in Dienst zu nehmen. Die grundgesetzlich verankerte Wissenschaftsfreiheit wird dabei vollends ihres eigentlichen Sinns entleert, und stattdessen etwa von der Bildungsministerin Stark-Watzinger zur vaterlandstreuen »Freiheit zur Verantwortung« umgedeutet. Vielerorts geraten die in Satzungen verankerten Zivilklauseln zur Verpflichtung auf friedliche Forschung und Lehre in Gefahr, teilweise wurden sie bereits abgeschafft. Historisch betrachtet spielen Studierende eine entscheidende Rolle bei der Ausbildung eines aktivistischen Milieus, das antifaschistische Bewegungen vorantreibt. Der fortwährende Aufstieg der AfD macht es notwendig, diese Rolle wieder aufleben zu lassen. Studierende an den Universitäten, die den Aufstieg der AfD nicht hinnehmen wollen, können als Sammelpunkt für einen organisierten Widerstand dienen. Unsere Strategie als SDS für diesen Widerstand beinhaltet, einerseits Massenaktionen gegen rechtes Gedankengut auf dem Campus und in der Politik, andererseits eine soziale Alternative gegen die Spar- und Finanzpolitik der Ampel, die schließlich den Weg für den Aufstieg der AfD bereitet. Der Protest gegen die AfD darf aber nicht nur dazu dienen, den Status quo aufrechtzuerhalten, sondern muss darüber hinaus auf eine sozialistische Alternative hinarbeiten. Antifaschismus muss ein Teil des Kampfes um eine befreite und klassenlose Gesellschaft sein!
Ronja ist seit neuestem Master of Science und will am liebsten gar nicht herausfinden müssen, was wir an Stelle unserer Großeltern getan hätten. Seit einem Jahr hat sie die Redaktionsstelle der critica inne. Luca studiert Soziologie und Geschichte in Frankfurt.