07 Apr Die Festung Europa und ihre neue alte Abschottungspolitik
Seit einigen Monaten demonstrieren Menschen gegen die »GEAS-Reform« und die damit einhergehende Aushöhlung des Grundrechts auf Asyl. Die Bundesregierung will währenddessen weiter »im großen Stil abschieben«, und der Diskurs verschiebt sich gefährlich nach rechts. Als Sozialist*innen gilt es, diesen Verhältnissen den Kampf anzusagen.
Bereits jetzt gehören brutale Kriminalisierung, illegale Pushbacks und menschenunwürdige Lager zur gängigen Praxis an den EU-Außengrenzen, und bereits jetzt ist diese Grenze die tödlichste der Welt – trotzdem droht sich diese dramatische Lage weiter zu verschärfen. Denn die Reform des Asylrechts sieht die Ausweitung der sogenannten Grenzverfahren auf einen Großteil der Asylsuchenden vor. Grenzverfahren bezeichnet die (vermeintliche) Abwicklung des Asylprozesses direkt an den Grenzen der EU – ihr Ziel ist die möglichst schnelle Rückführung der geflüchteten Menschen ins Herkunftsland. Ausgeweitet wird das Verfahren dabei auf alle Schutzsuchenden, deren Herkunftsland eine Anerkennungsquote unter 20% aufweist.
Bei dem sogenannten »Screening« zur Prüfung des Verfahrens sind rechtlicher Beistand, medizinische Versorgung oder eine menschenwürdige Unterbringung nicht gewährleistet. Darüber hinaus können geflüchtete Menschen, selbst Minderjährige, bis zu 6 Monate ohne jegliches Verschulden in Lagern inhaftiert werden. Schließlich werden dabei nicht nur die Anerkennungsquoten der Herkunftsländer geprüft, sondern auch die Quoten von vermeintlich »sicheren Drittländern« auf der Fluchtroute. Dabei ist es quasi unmöglich, europäischen Boden zu erreichen, ohne einen »sicheren Drittstaat« zu durchqueren, denn die Kriterien, welches Land als sicher gilt, werden zunehmend aufgeweicht. So wurden im Zuge der »GEAS-Reform« nach und nach auch Transitstaaten als »sicher« eingestuft. In letzter Minute wurde selbst die besonders umstrittene Krisenverordnung dem Reformpaket hinzugefügt. Wenn es zu einer vermeintlich (drohenden) Krise kommt, sollen dadurch auch die verbleibenden Asylregeln ausgehebelt werden können, wobei die Definition einer Krise sehr viel Deutungsspielraum lässt.
Legale Pushbacks und Aufrüstung der Grenzkontrolle
Noch mehr Gewalt und Pushbacks sind bei solchen Regelungen vorprogrammiert. Die brutale Zurückweisung an der Grenze, ohne vorherige Prüfung der Asylanträge, galt bisher zumindest als Rechtsbruch, auch wenn illegale Pushbacks und Grenzverfahren längst zur gängigen Praxis gehören. Nun sind sie rechtlich verankert: Nancy Faeser bezeichnet das als einen historischen Erfolg für den Schutz von Menschenrechten. Es führt aber dazu, dass faktisch fast niemand mehr rechtlichen Anspruch auf ein individuelles Asylverfahren hat. Es verschlechtert weiter aktiv die Lage all derer, die sich gerade an den EU-Außengrenzen befinden und bedroht zudem diejenigen, die in den kommenden Jahren aufgrund von Krieg, Klimakatastrophe, Armut und Verfolgung zur Flucht gezwungen sein werden und damit ihr Leben riskieren. Statt die Schaffung legaler und sicherer Fluchtwege voranzutreiben, fließen europäische Gelder in Millionenhöhe an Frontex und Transitstaaten, damit diese mit allen Mitteln die Flucht nach Europa verhindern (siehe S. 22).
Das Sterben im Mittelmeer und die Not der Menschen an den Außengrenzen stellen keine unvorhersehbaren oder unabwendbaren Einzelschicksale dar, sie sind das Resultat einer systematischen und tödlichen Abschottungspolitik der EU-Mitgliedsstaaten. Die Ampel setzt so in vorauseilendem Gehorsam die rechte Politik der AfD um, befeuert mit Waffenlieferungen in Kriegsgebiete Fluchtursachen und schürt zugleich rassistische Hetze: Jüngste Forderungen wie nach der Bezahlkarte, verpflichtenden 80-Cent-Jobs und einer Abschiebe-Offensive für Geflüchtete bilden dabei nur die Spitze des Eisbergs. Mit Blick auf das parallel zur Asylreform eingeführte »Fachkräfte-Einwanderungsgesetz« ist das Ziel des Migrationsregimes der Ampel nach Simin Jawabreh, Journalistin, klar: billige ausländische Arbeitskraft schaffen und den »Rest« abschieben oder wegsperren. Das europäische asylpolitische Motto lautet seit jeher: abschotten, abschieben, abschrecken.
Die »GEAS-Reform« muss verhindert und das individuelle Recht auf Asyl muss verteidigt werden. Unsere Solidarität gilt allen Menschen auf der Flucht und unser gemeinsamer Kampf gilt dem bedingungslosen Recht auf Bewegungsfreiheit. Aus der Wut über den Rassismus und die Brutalität der kapitalistischen Verhältnisse muss unsere gemeinsame Organisierung für eine bessere Welt folgen!
Johanna aus Frankfurt a.M. und Jessi aus Leipzig sind beide frisch gebackene Philosophinnen. Sie setzen sich gegen die menschenverachtende Migrationspolitik Deutschlands und der EU ein.