07 Mai Rezension Green Border
Eine Kinoempfehlung für starke Nerven.
»Green Border« liefert den Zuschauer*innen drei verschiedene Perspektiven auf die humanitäre und politische Katastrophe an der polnisch-belarussischen Grenze. Schauplatz des Films ist die Grenze zu Belarus im Osten Polens. Eine eher ländliche Region – der Wald erstreckt sich entlang der 180 km langen Grenze, die komplett von Grenzzäunen abgeriegelt ist. Einerseits wird die Geschichte einer syrischen Familie und einer älteren Frau aus Afghanistan erzählt, die in der Grenzregion der Gewalt der polnischen und belarussischen Grenzbeamten ausgeliefert sind. Pushbacks sind in beiden Ländern gängige Praxis. Im Wald ist es kalt, es gibt keine Lebensmittel, keine medizinische Versorgung und die Arbeit der polnischen Hilfsorganisation »Grupa Granica« wird durch Repressionen erschwert. Die zweite Perspektive, die der Film zeigt, ist die eines jungen polnischen Grenzbeamten, den Zweifel an seiner Arbeit plagen, der aber seinen Job nicht aufgibt. Wenn er unbeobachtet ist, hilft er in einigen Momenten des Films Menschen auf der Flucht, aber bis zum Ende bleibt er Grenzbeamter und damit Teil eines gewaltvollen und mörderischen Systems. Zuletzt zeigt der Film die Arbeit der Aktivist*innen von »Grupa Granica«, die Geflüchtete im Wald mit Essen und medizinischer Versorgung unterstützen. Besonders spannend ist der andauernde Streit zwischen zwei Schwestern in der Gruppe. Eine von beiden ist dafür, dass sich die Gruppe klar an die legalen Grenzen ihrer Arbeit hält, um Repressionen zu vermeiden. Nicht nur einmal muss die Gruppe deshalb Menschen im Stich lassen, die dann wieder in die Gewalt der Grenzbeamten geraten. Ihre Schwester und andere Mitglieder der Gruppe gehen deshalb einen radikaleren und riskanteren Weg, um Menschen im Wald zu retten.
Die Aktivist*innen der »Grupa Granica« leisten wichtige, direkte Unterstützung für Menschen, die an der polnisch-belarussischen Grenze quasi gefangen sind. An der Gesamtsituation können sie allerdings nichts ändern. »Green Border« zeigt die brutale Realität an Europas Außengrenzen. Was dem Film fehlt, ist die Frage nach strukturellen politischen Lösungen, die über die Symptomlinderung hinaus gehen. Einzelne Schicksale werden jedoch vielschichtig und packend dargestellt und es ist nötig, sie immer wieder zu zeigen, damit wir in Zentraleuropa nicht die Augen davor verschließen, was sich an unseren Grenzen abspielt.
Lena studiert Erziehungswissenschaften und Slavistik in Mainz und ist seit einem Jahr beim SDS aktiv.