07 Mai Rezension Zone of Interest
Brauchen wir wirklich noch einen Nazi-Film? Erster Impuls: Nein. Nach dem Kinobesuch von »The Zone of Interest«: JA!
»The Zone of Interest« zeigt das Leben des Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß und seiner Familie. Höß schuf sich und seiner Familie ein paradiesisches Zuhause, angrenzend an die Hölle des Konzentrationslagers Auschwitz. Großes Haus, Bedienstete, Pool und Gewächshaus im riesigen Garten – den fünf Kindern und Ehefrau Hedwig, der »Königin von Auschwitz«, fehlt es an nichts. Bedrückend sind die gezeigte Alltäglichkeit und das Banale im Leben der Familie Höß im krassen Gegensatz zur grausamen Geräuschkulisse von der anderen Seite der Lagermauern: Die Kinder spielen, während wenige Meter entfernt Menschen erschossen werden; das Ehepaar lacht gemeinsam vor dem Schlafengehen, während aus dem Schornstein des Krematoriums neben dem Haus die Flammen schlagen und der Feuerschein die Zimmer im Obergeschoss erhellt. Das Leid bleibt – abgesehen von der grausamen Geräuschkulisse aus Schüssen, Hundegebell, Rufen des Wachpersonals und den Schreien der Gefangenen – hinter den Mauern des KZs verborgen. In allen Situationen scheint die Familie die Geräusche und das damit verbundene Leid nicht einmal mehr wahrzunehmen.
Die sparsam, aber passgenau eingesetzte Filmmusik und die spezielle Kameraführung durch im Haus eingebaute ferngesteuerte Kameras lassen in Verbindung mit einer gewissen Improvisation der Schauspieler*innen ein Unwohlsein zurück. Das Publikum beobachtet und wird so zur Kompliz*in gemacht. Genau das ist das Ziel des Regisseurs Jonathan Glazer: nicht ein weiteres Mal die Geschichte der Opfer oder Täter zeigen, sondern die der Zuschauer*innen, die die grausamen Taten der Nazis beobachtet haben. Er fragt mit seinem Film, wie es möglich ist, danebenzustehen und den Gräueltaten der Faschisten zuzuschauen.
Trotzdem: Genau so wenig, wie uns »Barbie« den Feminismus gebracht hat, bringt uns »The Zone of Interest« den Antifaschismus und ein gelebtes »Nie wieder!«. Stattdessen werden wir nur durch konsequentes Blockieren von Rechten und ihrer politischen Hetze vorankommen.
Lena-Johanna Schmidt hat ihr Studium zwar vor Ewigkeiten abgeschlossen, zeckt sich aber trotzdem seit vier Jahren immer wieder in die Redaktion ein, weil sie ihr Herz an die critica verloren hat.