14 Dez Arm, ärmer, BAföG
Seit jeher haben Studierende den Ruf, in erster Linie ein feucht-fröhliches Partyleben zu führen: Sie arbeiten nicht, leben auf Kosten ihrer Eltern oder des Staates und schleppen sich zweimal wöchentlich in die Uni. Dieser Stereotyp hat noch nie der Realität entsprochen.
Im Mai 2022 veröffentlichte der Paritätische Wohlfahrtsverband seine neueste Studie zur sozialen Lage Studierender in Deutschland und kam zu desolaten Ergebnissen: Über 30 Prozent der Studierenden leben in Armut. Damit ist die Quote Armutsbetroffener unter Student*innen fast doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung. Woran liegt das? Zum einen versagen staatliche Angebote zur finanziellen Unterstützung wie zum Beispiel BAföG. Im Jahr 2020 erhielten lediglich 11 Prozent der Studierenden BAföG, dennoch leben 45 Prozent der Beziehenden unter der Armutsgrenze. Gleichzeitig sind aber 29 Prozent derjenigen, die nicht BAföG-berechtigt sind, in derselben Lage. Die BAföG-Sätze fallen viel zu niedrig aus, und der Berechtigten-Kreis muss deutlich erweitert werden. Allerdings ist das Problem nicht nur eine verfehlte BAföG-Politik. Es ist die gesamtgesellschaftliche Lage, die zahlreiche Student*innen seit Jahren zu einem Leben am Existenzminimum zwingt. Viele haben seit Beginn der Corona-Pandemie ihre Jobs verloren. Darüber hinaus steigen seit langem die Preise für Wohnen, Essen und ÖPNV. Laut Tagesschau liegt die durchschnittliche Monatsmiete eines WG-Zimmers inzwischen bei 435 Euro. Die aktuelle Inflation stellt somit nur die Spitze des Eisbergs dar.
Demnach kann die derzeitige Krise auch nicht durch Einmalzahlungen gelöst werden, und unsere Forderungen müssen über eine Verbesserung des BAföG-Systems hinausgehen. Es braucht eine Deckelung der Energie- und Mietpreise, eine Fortführung des 9-Euro-Tickets, existenzielle Grundsicherung sowie eine Steuerpolitik, die in erster Linie Reiche und Krisenprofiteur*innen zur Kasse bittet. Anders wird eine langfristige Verbesserung der sozialen Lage in Deutschland nicht möglich sein.
Marlen Borchardt studiert Soziologie an der Uni Jena und ist seit 2018 im SDS Leipzig organisiert.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der critica Nr. 29. Du erhältst sie beim SDS in deiner Stadt oder kannst sie hier online lesen.