06 Feb Exxon, die AfD und der Klimawandel: warum Konzerne uns verarschen
Die Klimawandelleugnung ist das Ergebnis einer Strategie fossiler Energiekonzerne. Für ihre Profitmaximierung betreiben sie bewusst Desinformation und stärken dabei rechte Kräfte wie die AfD.
Die Leugnung des menschengemachten Klimawandels ist angesichts der auf uns zukommenden Klimakatastrophe ein ernstzunehmendes Problem. Sie lässt sich besonders bei der marktorientierten Rechten erkennen, die sich gegen eine Einmischung der Regierung in die Wirtschaft wehrt. In Deutschland fällt beispielsweise die AfD immer wieder mit Aussagen auf wie: »Ich streite nicht ab, dass sich die Erde erwärmt, aber ich glaube nicht, dass der menschliche Einfluss maßgeblich ist« – weswegen man schließlich nichts an der Wirtschafts- und Lebensweise ändern kann oder soll.
In der öffentlichen Debatte wiederum entsteht häufig der Eindruck, dass es sich bei der Leugnung des Klimawandels um ein individuelles Problem handelt. Menschen, welche die überwältigende Evidenz der Klimakrise abstreiten, fühlen sich womöglich orientierungslos in der komplexen Welt und suchen nach Möglichkeiten zur Vereinfachung oder Verdrängung. Vielleicht sind sie auch Verschwörungsideologien zum Opfer gefallen oder schlichtweg ignorant.
Ohne zu bestreiten, dass psychologische Erklärungsansätze eine wichtige Rolle spielen können, führen sie uns nicht weit, wenn wir sie komplett individualisiert und entpolitisiert verfolgen. Wichtig ist eine Analyse der politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge und anderer möglicher Ursprünge, die im Diskurs häufig fehlt. Wie wir sehen werden, handelt es sich bei Klimawandelleugnung nicht um eine zufällige Entwicklung. Diese hat ihre Ursprünge in absichtlich erzeugter und verbreiteter Desinformation, die ihre Gründe wiederum im wirtschaftlichen System selbst hat.
Der Beginn der Klimawandelforschung & die Profiteure der Krise
Nachdem es in den siebziger Jahren zu immer umfangreicheren Erkenntnissen über die durch den Menschen verursachte Klimaerwärmung kam, fand 1979 die erste Weltklimakonferenz statt. Auch ExxonMobil, einer der größten US-amerikanischen Mineralölkonzerne, veröffentlichte 1981 ein »CO₂-Positionspapier«, in dem er seine Erwartung darlegt, dass der globale CO₂-Ausstoß der kommenden hundert Jahre zu einem globalen Temperaturanstieg von 3°C führen wird. In den folgenden Jahren investierte ExxonMobil enorm hohe Summen in weitere Forschung, in der Hoffnung diese Zusammenhänge zu widerlegen. Die Forschungsergebnisse zeigten jedoch das Gegenteil. In der Folge wurden sie vertuscht und heruntergespielt.
ExxonMobil & Desinformationskampagnen
Die Faktenlage erschien schon damals eindeutig, das Geschäftsmodell von ExxonMobil beruht jedoch auf Naturzerstörung. Dementsprechend investierte ExxonMobil seit Ende der 1980er-Jahre zusammen mit anderen fossilen Konzernen Milliarden von Dollar in politische Designformationskampagnen. Nachdem im Jahr 1988 der Weltklimarat (IPCC – Intergovernmental Panel on Climate Change) gegründet wurde, arbeitete unter anderem ExxonMobil 1989 daran eine Gegenorganisation aufzubauen: die Global Climate Coalition, ein Zusammenschluss verschiedenster Interessensgruppen und Unternehmen, der bis 2001 aktiv war.
Die Organisation gründete eigene pseudowissenschaftliche Forschungseinrichtungen und positioniert ihre eigenen, klimaskeptischen Positionen und Studien in den Medien. In Schmutzkampagnen wurden andere Wissenschaftler*innen als ideologisch verblendet dargestellt, der Klimawandel als Ganzes oder der menschliche Einfluss auf die Erderwärmung geleugnet und verschwörungsmythologisches Denken genährt – beispielsweise die Idee, dass der Klimawandel eine russische Erfindung sei, um die US-amerikanische Wirtschaft zu schädigen. Aktuell klagt der Bundesstaat New York gegen den Konzern, unter anderem wegen Irreführung in Bezug auf die Gefahren der Klimakrise.
EIKE, die AfD & die bedrohte Freiheit
Doch nicht nur die internationale Klimawandelleugnung wird seitdem weiterhin von fossilen Industriekonzernen mit Milliarden von Dollar jährlich finanziert, auch die erstarkende rechtsnationale Bewegung wurde – dank ihrer Lobbyarbeit gegen Klimaschutzmaßnahmen – indirekt gestärkt.
Dabei ist in Europa vor allem die der Verein EIKE (Europäischen Instituts für Klima und Energie e.V.) zu nennen. Hinter dem Verein steckt eine Lobbyorganisation, die den menschengemachten Klimawandel offen leugnet: Ihr Präsident ist CDU-Politiker Holger Thuß und ihr Vize-Präsident der AfD-Politiker Michael Limburg. Auf der Website von EIKE heißt es beispielsweise: »Nicht das Klima ist bedroht, sondern unsere Freiheit!«.
Limburg hat mit seinen Klimapositionen maßgeblich zum Parteiprogramm der AfD beigetragen und arbeitet im Büro des AfD-Abgeordneten Karsten Hilse, der als der »radikalster Leugner des menschengemachten Klimawandels« im Bundestag gilt. EIKE publiziert zudem Schriften diverser AfD-Politiker*innen. Zudem verweist die AfD bei ihren klimapolitischen Statements auf EIKE als Quelle. Von EIKE führen Verbindungen zu weiteren pseudowissenschaftlichen Organisationen der internationalen Klimawandelleugnung, zum Beispiel der International Climate Science Coalition und dem Committee for a Constructive Tomorrow (CfaCT) Europe. Sie alle erhalten hohe Summen von der fossilen Industrie.
Weitere Aspekte machen die rechten und klimaskeptischen Positionen anschlussfähig aneinander: von einer »Anti-Establishment« Position gegenüber einer vermeintlichen »links-grünen-Hegemonie« hin zu der Ablehnung staatlicher Eingriffe in die Wirtschaft und der Ablehnung einer Einschränkung der nationalen Souveränität lassen sich viele mögliche inhaltliche und rhetorische Stoßrichtungen ausmachen.
Die Vertuschungsstrategien der Industrie
Auch von anderen Industriebereichen kennen wir ein solches Vorgehen: Bereits in den 1950er Jahren riefen beispielsweise Zigarettenhersteller*innen wegen einer kurz vor der Veröffentlichung stehenden wissenschaftlichen Studie, die einen Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs aufzeigte, Desinformationskampagnen ins Leben.
Solche Kampagnen stellen eine bewusste Strategie der Konzerne dar, die auf Grund ihrer angestrebten Profitmaximierung kein Interesse daran haben, dass Menschen wissenschaftlichen Erkenntnissen Glauben schenken: Die Kampagnen dienen als Absicherung ihres Geschäftsmodells und ihres Gewinns.
Der historische Ursprung der Klimawandelleugnung liegt demnach nicht in individueller Überforderung oder irgendeiner herrschaftskritischen Analyse der Wissenschaft im Kapitalismus, sondern im Profitinteresse der Konzerne.
Desinformationskampagnen sind dabei kein strategischer Ausreißer, sondern entsprechen ganz der Logik des kapitalistischen Marktes. Durch Täuschung und Manipulation schützen Konzerne ihren Profit: Diese Strategie ist seit jeher Bestandteil des Wettbewerbs. Durch Massenmedien und immer schneller werdende Nachrichtenzyklen (um immer höhere Einschaltquoten und damit Werbeeinnahmen zu generieren), werden Studien und Quellen zudem seltener geprüft, wodurch Fake News und Falschaussagen in die Medien leichter und intensiver verbreitet werden und damit den öffentlichen Diskurs verstärkt beeinflussen.
Ein Ende des Kapitalismus oder ein Ende der Welt
Wenn wir also über die Klimawandelleugnung sprechen, dann müssen wir dabei auch über die politischen und ökonomischen Verhältnisse sprechen, die zu ihrem Erstarken beiträgt. Wenn wir es wiederum mit der Bekämpfung des Klimawandels und dem Kampf für Klimagerechtigkeit ernst meinen, dann müssen wir diese ökonomischen Verhältnisse verändern. Die fossile Industrie bildet dabei einen Grundpfeiler des globalen kapitalistischen und imperialistischen Systems.
Um die Bewegung End Fossil: Occupy! zu zitieren: »Seit Jahrzehnten zerstört die fossile Industrie die Erde, unsere Lebensgrundlagen, enteignet skrupellos riesige Landstriche und treibt dadurch ganze Gesellschaften in Überlebenskämpfe, beraubt insbesondere indigene Bevölkerungsgruppen ihrer Existenzgrundlagen, manipuliert mit unvorstellbaren Geldmengen Politik, verhindert Gerechtigkeit, befeuert Kriege und Krisen, sorgt für systematische Wissenschaftsleugnung, und geht gegen jegliche Protestbewegungen rechtlich, militärisch und gewaltvoll vor.«
Die Enteignung und Demokratisierung von kapitalistischen fossilen Energiekonzernen ist demnach eine unserer zentralen Forderungen, denn sie ermöglicht es, dass nicht mehr Profit, sondern menschliche Bedürfnisse und Nachhaltigkeit die Kriterien der Produktion sind und dass die produzierte Energie am Ende auch alle Menschen gleichermaßen zur Verfügung steht. Zusätzlich beendet sie den fortlaufenden Geldfluss in Richtung der Klimawandelleugnung.
Johanna studiert an der Uni Mainz und ist neben ihrem Studium beim SDS aktiv. Sie setzt sich für mehr ökosozialistische Perspektiven und weniger grün angemalten Kapitalismus ein.